ZitatAlles anzeigenDie Freude über den Derby-Sieg des 1. FC Kaiserslautern über den Karlsruher SC am Samstag hat für vier FCK-Fans aus dem südpfälzischen Lingenfeld nicht lange gewährt: Eine Horde dunkel gekleideter Rowdys machte die Rückfahrt zu einem Albtraum, der ihnen immer noch in den Knochen steckt.
Erika und Walter Böhler feierten unlängst 45. Hochzeitstag. Von seinen Kindern bekam das Lingenfelder Ehepaar Eintrittskarten fürs Südwest-Derby gegen Karlsruhe. Nach dem 2:0-Sieg des FCK machte es sich zusammen mit Sohn Thomas und einem Freund gut gelaunt auf den Heimweg, der sie im Auto über die B 39 Richtung Neustadt führte.
Als Walter Böhler zwischen Frankenstein und Weidenthal einen weißen Bus auf einem Parkplatz erblickte, bat er seinen Sohn, der fuhr, auch dort zu halten. Denn er musste dringend austreten. Als Thomas Böhler aber sah, dass in dem Bus mit Rastatter Kennzeichen etwa 40 dunkel gekleidete Männer saßen, "dachte ich, es ist besser, noch ein Stück zu fahren", erinnert sich der 40-Jährige. Schließlich waren die Böhlers schon von weitem als Fans der "Roten Teufel" zu identifizieren. Sie hatten einen FCK-Schal aus dem Fenster hängen, der innen am Haltegriff über der Tür festgebunden war. Also hielt Thomas Böhler etwa 150 Meter weiter am Waldrand und ließ seinen Vater aussteigen.
Kurze Zeit später wurde es nach Darstellung der Böhlers dramatisch: Thomas Böhler sah, wie sich einer der Dunkelgekleideten erst durch den Wald anschlich und dann auf das Auto der Böhlers zugerannt kam. Er schrie seinem Vater zu, wieder ins Auto zu kommen. Auch Erika Böhler, die vor dem Wagen stand, beeilte sich, wieder einzusteigen. Die 65-Jährige hatte die Beifahrertür noch nicht richtig geschlossen, da riss sie der Angreifer wieder auf. Als Thomas Böhler aufs Gaspedal trat, gelang es seiner Mutter, die Tür zu schließen, doch der Mann gab nicht auf. Er bekam den Schal zu fassen und hielt fest. Unterdessen kamen die übrigen 40 Businsassen angespurtet. Böhler beschleunigte den Wagen. "Der Schal wurde immer länger und länger", erzählt Walter Böhler. Der Angreifer musste loslassen, wobei es ihn auf die Straße schleuderte. Die Lingenfelder sahen zu, dass sie Land gewannen. Verfolgt wurden sie von der Angst, in einen Stau zu geraten, so dass der Bus wieder zu ihnen hätte aufschließen können. Doch sie schafften es ohne weitere Probleme nach Hause.
Noch unterwegs alarmierten sie die Polizei. Auf den Notruf, der schließlich nach Kaiserslautern weitergeleitet wurde, schickte die Polizei "schnellstmöglich" Einsatzkräfte mit Hunden los, wie Wolfgang Denzer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Westpfalz, auf Anfrage erläuterte. Als die Beamten eingetroffen seien, sei jedoch kein Bus mehr zu sehen gewesen.
Die Böhlers fragen sich nun, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn die Polizei bei Spielen gegen den KSC auch auf der B 39 Kontrolle fahren würde. Nach dem Abstiegsspiel in Wolfsburg 2006 seien die FCK-Fans von der niedersächsischen Polizei bis zu hessischen Grenze begleitet worden, erinnert sich Walter Böhler. Praktisch sei es nicht möglich, die Strecke zwischen Kaiserslautern und Neustadt zu bewachen, obwohl die Polizei das Derby schon mit einem großen Aufgebot begleitet habe, so Wolfgang Denzer. Allein in Kaiserslautern seien 500 Landes- und fast 200 Bundespolizisten im Einsatz gewesen. Es würden aber auch Busse eskortiert, wenn die Insassen offensichtlich gewaltbereit seien. Zwei solcher Busse seien zum Zeitpunkt des Angriffs noch in Kaiserslautern gewesen. Daraus, dass die Insassen des Rastatter Busses alle dunkel gekleidet waren, lasse sich aber nicht grundsätzlich auf Gewaltbereitschaft schließen.
Besonders mitgenommen hat das Erlebnis Erika Böhler. "Sie hat abends noch am ganzen Leib gezittert, hatte Schweißperlen auf der Stirn", berichtet ihre Tochter Helga Spear-Röder. "Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan", sagt ihre Mutter. Seit 40 Jahren gehe sie immer wieder mit ihrem Mann auf den Betzenberg, aber damit sei jetzt Schluss. "Fußball gibt es für mich nicht mehr. Das ist es mir nicht wert", meint die Lingenfelderin und zeigt einen FCK-Poncho, den sie von ihrem Mann zum Hochzeitstag bekommen hat: "Eigentlich könnte ich den zurückgeben", sagt sie seufzend.
Quelle : Die Rheinpfalz
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