Ostalb-Devil
Zuerst einmal. Ich habe deinen Post nicht zitiert, weil ich dir persönlich damit irgendwie Vorwürfe machen wollte. Ich hoffe mal, das ist auch nicht so angekommen.
Zum Thema. Wir stehen an sich thematisch nicht mal weit auseinander. Es stört mich auch net, dass ich mit 2 Jobs noch was abgebe über Steuern und mir eben den Frisörbesuch für 18 Euro nicht leisten kann. Genauso wenig wie ich in Urlaub fahre, obwohl ich als Historiker Rom mal gerne sehen würde. Das muss ich zugeben. Aber es ist eben nicht machbar und wenn es machbar wäre, würde ich mich immernoch fragen, ob es wirklich soooooo wichtig wäre, dass ich mal sagen kann, hey ich bin als Tourist durch Rom gehetzt. Auch stört es mich nicht, wenn andere sich irgendwas erarbeitet haben und dafür entsprechend entlohnt werden. Das wäre ja auch bei dem von dir angesprochenen Grundeinkommen hoffentlich so, dass diejenigen, die sich engagieren, immernoch mehr von dem System profitieren müssen. Aber was musst man hier alles lesen die letzten Wochen? In Erinnerung geblieben ist mir zb. der Begriff Neidkultur. 5 % der Deutschen halten über 95 % des Vermögens in Deutschland. Darf man das kritisieren? Nach so einigen Schlaumeiern hier nicht.
Dann kommt immer das Gesülze von wegen die Wirtschaft sorgt dafür, dass es uns allen gut geht. Ich kann nachvollziehen, dass eine starke Wirtschaft ihre Gewinne zum Teil auch weitergibt, damit die Leute genau diese Wirtschaft mit ihrem Konsum weiter füttern können. Keine Frage. Aber was nicht stimmt, ist dass es allen gut geht. Es geht der Mehrheit gut, das ist nötig, damit die Mehrheitsverhältnisse gewahrt bleiben und alles seinen Gang geht. Dabei sind Dinge wie Altersarmut, Kinderarmut, Tafeln usw. keine Erfindungen irgendwelcher Verschwörungstheoretiker. Aber was passiert, wenn sich die Abgehängten versuchen zu organisieren, sieht man gut am Umgang mit der AfD. Beileibe ich bin absolut kein Freund dieser Partei. Aber zuerst hat man jahrelang von seiten der etablierten Parteien mit Ignoranz reagiert, als dann die Unterstützungszahlen in die Höhe schossen, hat man die Partei als Nazis (was Teile davon unstrittig sind) bezeichnet und mit dem Geschütz Verfassungsschutz agiert. Und als man dann keine anderen Lösungen mehr gesehen hat, hat man mit ihnen paktiert wie in Thüringen. Das ist moralisch verwerflich, aber legitim. Und dann hat man eine gültige Wahl annulliert und wählt offenbar solange neu, bis einem das Ergebnis passt. Und dann über Trump lachen. Aber ich schweife ab.
Letztlich geht es zumindest mir jedenfalls nicht darum, anderen ihren Wohlstand wegnehmen zu wollen. Aber es wäre ein Anfang in Betracht zu ziehen, dass man in einer Blase lebt und eben nicht immer von sich auf andere schliessen kann. Wie hat das Volker Pispers mal gut auf den Punkt gebracht: "In Deutschland kann jeder reich werden, eben nur nicht alle". Und wenn man wie ich die letzten Jahre echt am Existenzminimum gestrampelt hat, eben nochmal einen Bildungsweg bestritten hat, kostenlos Veranstaltungen an Uni gehalten hat, sich mit befristeten Verträgen über Wasser halten muss, die eh alle 2 Jahre gekündigt werden, weil sonst ein Anspruch entstehen würde, dann muss ich zu dem Schluss kommen, dass ich am Wohlstand dieser Gesellschaft nicht partizipiere. Dies zu bemängeln, reicht allerdings offensichtlich schon, um von Schmarotzer zu sprechen. Obwohl ich nicht mal wem auf der Tasche liege. Und da muss ich dann sagen, sollten manche von ihrem hohen Ross mal runterkommen. Dabei verlange ich keineswegs, dass man die Sichtweise teilt, aber man könnte zumindest versuchen, mal nen anderen Blickwinkel in Betracht zu ziehn. Und auch was die wahren Schmarotzer angeht, kann man sicher geteilter Meinung sein. Für mich sind es diejenigen, die ein Konjunkturprogramm nach dem anderen in den Arsch geschoben bekommen, es aber nicht schaffen, diese Pushs (für die man von mir aus als Leitindustrie noch Verständnis haben kann) für den Umstieg auf Elektromobilität zu nutzen, sondern mit getürkter Schadstoffsoftware nach noch mehr Gewinnmaximierung streben, um ein paar windige Börsenspekulanten reich zu machen. Daher kommt diese ungerechte Verteilung und ihr Fundament. Die Putzfrau von neben an kann eben nicht von ihrem Lohn soviel abzweigen, um bisle Roulette zu spielen. Geld geht immer dort hin, wo sich seine Verwandten befinden. Das mag unumkehrbar sein, aber man könnte zumindest versuchen soweit gegenzusteuern, um diesen Effekt zu bremsen. Stattdessen sieht man Leute (die trotz schlechter Bezahlung) in einer Großstadt nahe ihres Arbeitsplatzes leben müssen, und die gehen mittlerweile auf die Straße, weil die Aktionäre von Wohnovia oder wie der Dreck heisst, Rendite sehen wollen und dann wie immer im kapitalistischen System jedes Mittel recht ist.
Apropos. Ich lese gerade ein Buch von einem gewissen Norman Angell aus den Jahren des Ersten Weltkriegs. Dort beschreibt er den Gedanken, dass militärisch geführte Kriege eigentlich total obsolet geworden seien, weil durch die globale Vernetzung damit immer eine Selbstschädigung der eigenen Wirtschaft einhergeht und das Wirtschaftskrieg das neue Mittel der Wahl wäre. Jetzt sind wir 100 Jahre später. Erstaunlich und erschreckend zu gleich, wie sehr seine Vorhersagen heute der Realität entsprechen.
Edit: P.S Betzefensi hat meine Antwort auf deine Aussage im anderen Thread irgendwie verschoben. Sinnvoll fand ich das nicht, aber das kann er wahrscheinlich besser beurteilen. Ich antworte jetzt aber wieder hier, weil ich auf erneut auf deinen Beitrag reagiere. Nur falls die Äusserung hier jetzt auch wieder nicht reinpassen sollte vom Thema her.