Diskussionsthema zum Artikel: Jahresrückblick (2/2): Endlich rollt der Zug
Jahresrückblick (2/2): Endlich rollt der Zug
Vorbei mit Pleiten, Pech und Pannen, vorbei mit miesepetriger Stimmung. Seit Saisonbeginn ist vieles anders beim FCK. Teil II unseres Jahresrückblicks.
Im gestrigen ersten Teil unseres Jahresrückblicks stand neben der Rückschau auf die Monate Januar bis Juni 2021 auch die Erkenntnis im Fokus, dass sich manche Dinge auf dem Betze nie ändern werden. Pleiten, Pech und Pannen eben. "Nichts erreicht, nur verhindert", lautete die schmerzhafte Erkenntnis, die als Überschrift der vergangenen Saison über dem 1. FC Kaiserlautern ragte. All das sollte sich mit Beginn der vierten Drittligaspielzeit endlich ändern. Hier folgen die Highlights der Monate Juli bis Dezember. So viel sei gesagt: Es war mal wieder einiges los beim pfälzischen Traditionsclub.
Auf ein Neues
In seiner nun vierten Drittligaspielzeit durfte der 1. FC Kaiserslautern zum vierten Mal mit einem Heimspiel in die neue Saison starten. Mit dem Zweitligaabsteiger aus Braunschweig kam auch gleich ein ganz dickes Brett auf die Mannschaft von Marco Antwerpen zu. Über 10.000 Zuschauer hechelten auf den Betzenberg, um sich vor Ort ein Bild der neu zusammengestellten FCK-Mannschaft zu machen. Enttäuscht wurden sie dabei zumindest nicht. Eine aufopferungsvoll kämpfendes Team und ein Unentschieden der besseren Art nährten die Hoffnung auf einen erfolgreichen Saisonverlauf. Aber der FCK wäre nicht der FCK, wenn aus dem Vorjahr ausreichend Lehren gezogen worden wären. Das Gegenteil war einmal mehr der Fall. Die obligatorische Kaffeefahrt ins Emsland nach Meppen ließ schon wieder die ersten Skeptiker auf den Plan treten. Und die Folgewochen sollten diese in ihren düsteren Vorhersagen zudem noch bestärken.
Schon nach zwei Spieltagen stellte die Bild erleichtert fest, dass der FCK wieder im Tabellenkeller steckt und dass es „so nichts mit dem Angriff auf die 2. Liga wird“. Dass Antwerpen nach diesem Spiel ebenfalls deutliche Worte für seine Mannschaft fand, ließ bei den Herren im Springer-Konzern die Herzen endgültig höher schlagen. Endlich würde man wieder hetzen, aufwiegeln und Öl ins Feuer gießen können. Was für ein gelungener Start in die neue Spielzeit!
Die Höllenfahrt der Teufel
Zum Verdruss der FCK-Anhänger sollte nun tatsächlich eine Talfahrt einsetzen, die scheinbar nicht zu stoppen war. Plötzlich standen wieder Themen im Mittelpunkt, die man eigentlich hinter sich zu haben schien. Fehlende Einstellung, mangelnder Wille, miserabler Teamgeist – kurzum, sämtliche Charaktereigenschaften, die ein ambitioniertes Team mitbringen sollte, wurden den Roten Teufeln in dieser Phase der Saison abgesprochen. Dazu wurde den Kaderplanern vorgeworfen, den Abgang von Marvin Pourié nicht adäquat ersetzt zu haben, was sich an der bis dahin erfolgten Torausbeute ablesen ließ. Und auch die Tatsache, dass die Lautrer nach Abschluss des dritten Spieltags die zweitschlechteste Defensive der Liga auf dem Platz hatten, verhieß nichts Gutes. Alles in allem waren die Roten Teufel schon früh in der Saison wieder dort angelangt, wo sie im Vorjahr viel zu lange festhingen: am Tabellenende!
Nicht nur die fast schon dramatische Personalsituation bereitete zu dieser Zeit große Sorgen rund um den Betzenberg. Auch dass die Fans der Mannschaft nach und nach den Rücken kehrten, besorgte die Gemüter. Selbstredend, dass die Frustrationsgrenze der Anhänger allmählich erreicht war. Selbst die blitzsaubere Heimbilanz unter Marco Antwerpen, der bis dahin noch nach keinem Heimspiel mit leeren Händen dastand, konnte das teilweise desaströse Auftreten in der Fremde nicht beschönigen. Die Folge war ein bis dahin noch nie da gewesener Fan-Schwund. Nachdem der Klassiker gegen 1860 München nur noch 8.900 Zuschauer anlockte, war im Heimspiel gegen Zwickau der Tiefpunkt erreicht. Gerade einmal 7.150 Besucher sorgten für einen Minusrekord. Noch nie pilgerten weniger Menschen zu einem Pflichtspiel des FCK ins Fritz-Walter-Stadion. Wie gut, dass die Zwickauer zu Gast waren, die im Laufe der Vorrunde eine weitere „Minus-Bestmarke“ aufstellen sollten und sich so langsam an das Desinteresse gewöhnen konnten. Beim Spiel der Westsachsen bei Türkgücü München lockten sie gerade einmal 388 Zuschauer aus der warmen Stube ins Olympiastadion. Ob das nun dem glanzvollen Namen der Gastmannschaft oder der Münchner Traditionself geschuldet war, blieb ungeklärt.
Hurra, hurra, die Waldhöfer war'n da
Und wenn du denkst, es geht nichts mehr, gibt der Spielplan ein Derby her! Und zwar eines, das Einzug in die Geschichte haben sollte. Die Barackler aus Mannheim gaben sich zum Südwest-Gipfel die Ehre am Lautrer Betzenberg. Insgesamt vier Mal zückte Schiedsrichter Florian Heft, der selbiges in diesem Spiel viel zu oft aus der Hand gab und dazu vollkommen überfordert schien, die rote Karte. Jochen Kientz, damals noch mit Mitspracherecht beim Waldhof, durfte nach seinem fast oscarreifen Auftritt auf Mannheimer Seite die restliche Partie von der Tribüne aus verfolgen. Gleiches Schicksal traf die Lautrer Spieler Redondo und Senger sowie Teammanager Dick. Neun gegen elf, David gegen Goliath oder die Wiedergeburt des FCK – es bleibt jedem selbst überlassen, den passenden Superlativ für dieses Derby zu wählen.
Eine aufopferungsvoll kämpfende (Rest-)Mannschaft rettete gegen den Aufstiegsaspiranten, gespickt mit Drittligastars wie „Ich-trete-auf-alles-was-sich-bewegt-Höger“ oder „Trainer-ich-treffe-das Tor-nicht-Schnatterer“, ein Unentschieden. Sowohl Team als auch Umfeld sind sich heute noch sicher, dass dieses Remis bei Weitem mehr wert war als diesen einen Punkt, der gutgeschrieben werden konnte. Dieses Derby sendete ein Signal an alle Beteiligten und zeigte auf, was möglich ist, wenn einer für den anderen da ist. Dann kann es ein Team wie das des FCK mit jedem drittklassigem Gegner aufnehmen. Und die Mannschaft blieb den Beweis auch nicht schuldig. Sie fegte fortan durch die Liga wie bisher noch nie. Egal ob Aufsteiger oder Mitfavorit – die Roten Teufel punkteten gnadenlos effizient und schienen plötzlich unbezwingbar zu sein. Im gesamten September kassierte die Hintermannschaft um Matheo Raab genau ein Gegentor - und stellte plötzlich die beste Defensve der Liga.
Nicht nur die Mannschaft hatte sich hinterfragt, auch das Trainerteam stellte seine bisherigen Entscheidungen für sich zur Diskussion. Das Ergebnis war die Rückkehr zum Erfolgssystem aus dem Endspurt des Vorjahres. Die Dreier- bzw. im Bedarfsfall Fünferkette stabilisierte das fragile Defensivgebilde schlagartig. Und nun war der Weg geebnet, um den Anschluss ans Mittelfeld und im weiteren Verlauf der Vorrunde gar an die Spitzengruppe herzustellen.
Högschde Disziplin, (fast) maximaler Erfolg
Die Top-Elf von Marco Antwerpen hatte sich also gefunden und funktionierte im Kollektiv wie ein Uhrwerk. Wer sollte diesen FCK überhaupt noch stoppen können? Die Antwort war gar nicht so fern. Um genau zu sein lagen zwischen dem FCK und der bitteren Wahrheit genau 84 Kilometer. Die muss man zurücklegen, um von Kaiserlautern nach Mechtersheim zu gelangen. Der Lautrer Höhenflug wurde im Verbandspokal bei den Vorderpfälzern Anfang Oktober jäh gestoppt. Nur einen Tag nach Antwerpens 50. Geburtstag hielt sein Team offenbar nur wenig davon, den Coach zu beschenken. Die auf sechs Positionen veränderte Startelf brachte dafür eine andere Erkenntnis: Der zweite Anzug beim FCK passt noch nicht, das Leistungsgefälle ist zu groß. Mittlerweile weiß man verschiedene Äußerungen des Lautrer Trainers aber zu deuten. Unmittelbar nach dem Pokal-Aus attestierte er gerade den Spielern aus der zweiten Reihe zu wenig Bemühungen, um sich aufzudrängen. Die anstehende Länderspielpause kam ein weiteres Mal in diesem Jahr also äußerst gelegen. Die Blamage von Mechtersheim galt es aufzuarbeiten und der Trend im Ligaspielbetrieb sollte aufrecht erhalten bleiben. Und genau das gelang. Das Uhrwerk, das kurz ins Stocken geriet, lief wieder wie geschmiert. Selbst eine überraschende Punktspielniederlage wie die gegen Würzburg konnte die Roten Teufel nicht aus der Bahn werfen. Warum auch? Wichtig war, wie Ergebnisse zu Stande kommen. Und im Hinblick auf die so oft zitierten Betze-Tugenden konnte man den Roten Teufeln zu dieser Zeit absolut keinen Vorwurf machen.
November Rain
Auf fast schon furchterregende Art spielen die Roten Teufel ihre immer wiederkehrenden Derbys in der dritten Liga herunter. Noch kein einziges wurde verloren. Weder im Ur-Derby gegen den Waldhof noch im kleinen Derby gegen Saarbrücken gingen die Lautrer bisher als Verlierer vom Platz. Und diese Serie hielt auch im November bei dem Auswärtsspiel beim FCS. Für die blau-schwarzen Provinzkicker aus dem Saarland ist der Besuch des FCK regelmäßig das Spiel des Jahres. Das wollte auch Klaus Bouillon unterstreichen. Der CDU-Politiker und zuständige Minister für Inneres und Sport warnte vor „zwei Sonderzügen voller Chaoten“, die da aus Kaiserslautern ins Saarland pendeln sollten. Es stellte sich jedoch heraus, dass die besagten Chaoten gar nicht in den Zügen saßen. Sie standen am Bahnhof, später am Stadion und trugen die Farben des FCS. Die Fans aus Kaiserslautern wollten einfach nur ihre Mannschaft unterstützen und Stimmung machen. Und die war bombig. Spätestens nach Redondos 2:0 war klar, dass der größte sportliche Erfolg des FCS der letzten Jahre die Pokalsaison 2019/20 bleiben sollte.
Wie auch der Rest der Republik wurde der FCK im November ebenfalls von der Corona-Welle erfasst. Gleichzeitig grassierte ein Grippevirus im Kader der Roten Teufel, wodurch Marco Antwerpen und sein Team vor große Herausforderungen gestellt wurden. Buchstäblich mit dem letzten Aufgebot musste das Heimspiel gegen Wehen-Wiesbaden angegangen werden. Unter anderem saß mit Hikmet Ciftci ein Spieler auf der Bank, der erst wenige Tage vor der Begegnung nach einer fast dreimonatigen Verletzungspause erstmals wieder am Mannschaftstraining teilnehmen konnte. Und dennoch strotzten die Roten Teufel voller Selbstbewusstsein und wollten natürlich auch aus diesem Spiel drei Punkte mitnehmen. Und es funktionierte. Nach großem Kampf und viel Leidenschaft. Der FCK im Spätherbst 2021 trägt dieses Siegergen mittlerweile in sich. Wer oder was ist schon „Mia san mia“? „De Deiwel soll Dich hole!“ heißt die neue Marschrichtung.
Oh Du Fröhliche
Denkbar schlecht begann die Vorweihnachtszeit am Betzenberg. Am dritten Dezember verstarb mit Horst Eckel der letzte noch lebende Weltmeister von 1954. Das tags darauf stattfindende Heimspiel gegen Viktoria Köln bot tausenden Fans die Möglichkeit, sich von der FCK-Legende zu verabschieden. Bestes Fritz-Walter-Wetter zeugte davon, dass die „54er“ wieder vereint waren und gab diesem Spiel einen ganz besonderen Rahmen. Dass die Lautrer mit einem deutlichen Heimsieg nun endgültig den Anschluss an die Spitzengruppe herstellen konnten, war für den Moment jedoch nur eine Randnotiz.
Weniger als Randnotiz wurde der Rücktritt von Markus Merk wahrgenommen. Es glich einem Paukenschlag, als der ehemalige Weltschiedsrichter nur drei Tage vor dem Weihnachtsfest seinen Rückzug vom FCK bekannt gab. Er sei 2019 angetreten, um mitzuhelfen, den FCK sowohl sportlich als auch finanziell zu sanieren und zu stabilisieren. Diese Ziele sähe er nun als erreicht an und wolle sich fortan wieder anderen Themen außerhalb des Vereins widmen, so die Rücktrittsbegründung von Merk. Gemutmaßt wird jedoch auch, dass er sich als Beirat zu sehr in sportliche und operative Themen eingemischt habe, was ihm letztlich auch vorgeworfen wurde. Die Wahrheit liegt vermutlich einmal mehr irgendwo zwischen all den Mutmaßungen. Fakt ist jedoch, dass der FCK in der Merk'schen Amtszeit einen neuen Weg eingeschlagen hat und wieder vor einer Zukunft steht. Allein dafür gebührt ihm und seinen Mitstreitern die Anerkennung aller, die es gut meinen mit den Roten Teufeln.
Zum Vorrundenabschluss vertrat Frank Döpper beim Gastspiel bei Türkgücü München seinen hin und wieder etwas hitzköpfigen Chef. Auf sein Fazit zur Vorrunde des FCK angesprochen entgegenete der Co-Trainer: „Wir hatten einen schwierigen Saisonstart, aber auch da nur ein Spiel, das richtig schlecht war, nämlich das in Berlin. Aber auch wenn es in der Öffentlichkeit vielleicht anders angekommen ist: Alle Entscheidungsträger im Verein haben in dieser Zeit die Ruhe behalten. Wir hatten komplette Rückendeckung und für uns war es nur eine Frage der Zeit, bis die Arbeit mit der im Sommer punktuell verbesserten Mannschaft Früchte trägt. Nach dem Spiel gegen Mannheim ging dann die Reise los. Es hat eben etwas länger gedauert, als wir alle gedacht haben. Aber wir wussten, dass die Mannschaft Qualität hat. Und jetzt fährt der Zug!". Besser lassen sich die letzten Wochen und Monate eigentlich nicht zusammenfassen. Vorsicht an Gleis 2022, der Teufels-Express ist im Anflug!
Quelle: Treffpunkt Betze