ZitatAlles anzeigenChristian Tiffert und das Ende der Kurz-Geschichte - Heute beginnt die Ära Krassimir Balakov
Haben Sie an Rücktritt gedacht? Die Frage hat Stefan Kuntz überrascht. Gerade hat er die Entlassung von Trainer Marco Kurz verkündet, gerade hat er die Mitverantwortung für die sportliche Krise des Fußball-Bundesliga-Schlusslichts 1. FC Kaiserslautern übernommen. „Nein, warum?”, fragt Kuntz. „Selbst Journalisten, die es nicht gut mit mir meinen” könnten seine Erfolgsbilanz nicht leugnen, sagt der Vorstandsvorsitzende, der sein Amt am 8. April 2008 angetreten hat. Und da hat der 49-Jährige, die Lichtgestalt im Schatten, Recht. Heckenschützen, Populisten, aber auch einige ehemalige Mannschaftskollegen haben Kuntz im Visier. Fakt ist: Als Kuntz kam, stand er FCK in der Zweiten Liga auf einem Abstiegsplatz, bangte um die Drittliga-Lizenz. Heute verspricht Kuntz - „wenn es schiefgehen sollte” - eine Mannschaft in die Saison zu schicken, „die den direkten Wiederaufstieg anstrebt”.
Der Trainer, der den Abstieg verhindern helfen soll, wird heute um 14.30 Uhr in einer Pressekonferenz präsentiert: Krassimir Balakov.
Der 45-Jährige bringt seinen Assistenten Ilia Gruev (42) von Hajduk Split mit und leitet ab 16.30 Uhr erstmals das Training der Roten Teufel. Kapitän Christian Tiffert kennt der Neue aus gemeinsamer Zeit beim VfB Stuttgart.
„Stefan hat es gesagt - der Trainerwechsel ist das letzte Mittel. Ein anderer Trainer setzt vielleicht neue Reize, kann neue Impulse geben, führt raus aus dem negativen Trott”, hofft Tiffert. Er kennt die Szenarien eines Trainerwechsels - und fühlt sich schlecht, weil mitverantwortlich, dass es kam, wie es gekommen ist. „Wir haben auf dem Platz gestanden und müssen uns hinterfragen. Wir Spieler haben eine Aktie daran”, bedauert Tiffert die Entlassung von Marco Kurz. Kontakt gab es seither nicht mehr. „Ich glaube, er braucht jetzt auch mal Zeit, um Luft zu holen. Ich glaube, er hat sich zu 110 Prozent mit seiner Aufgabe und den Gegebenheiten hier identifiziert”, betont der Kapitän: „Ich werde ganz sicher den Kontakt zu ihm suchen.”
„Wir sind am Boden”, gestand Christian Tiffert nach der Schlappe gegen Schalke. Aufstehen müsse man bis zur Wochenmitte, um das „Alles-oder-nichts-Spiel” in Freiburg anzugehen, sagte er. Das war am Sonntag. Und nun? „Erstmal war das ein Nackenschlag - wir waren wie gelähmt. Es sah wohl nicht so aus - es lag aber nicht am wollen.” Dann die Trainerentlassung - Schuldgefühle, weil auch die eigene Leistung nicht stimmte, gesteht Tiffert. „Ich bin nur ein Mensch, keine Maschine - es geht mir auch nahe! Ich fühle mich wohl hier, ich habe dem Verein viel zu verdanken”, sagt der 30-Jährige. „Ich darf mich nicht verstecken”, weiß er um seine Verantwortung. „Der Abstand ist schon groß, aber noch ist er aufzuholen, obwohl uns alle möglichen Experten abgeschrieben haben”, sagt der Routinier.
Klaus Toppmöller, der Lauterer Rekord-Torschütze, hat den FCK in Sport1 beerdigt. „Die Qualität reicht nicht für die Bundesliga. Der Trainerwechsel kommt zu spät”, sagte Toppmöller. Ein Retter-Engagement schloss er aus: „Das tue ich mir nicht mehr an.” 2007 war er bei „seinem FCK” mit viel Tamtam als Berater ehrenamtlich eingestiegen, über Nacht wieder ausgestiegen. Er hatte den Klub in der Not im Stich gelassen.
Jetzt also Krassimir Balakov. Ein großer Spieler war er. Er gilt als Konzepttrainer. Als einer, der auch mit jungen Spielern kann. Aber kann er auch Abstiegskampf? Kann er Retter sein? Er geht das Risiko ein, nach nur acht Spielen als Abstiegstrainer verbrannt zu sein ...
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„Der Griff nach dem Strohhalm”
Der 1. FCK setzt nach der Trennung von Marco Kurz im Abstiegskampf auf Krassimir Balakov. Der Bulgare soll heute auf dem Betzenberg als neuer Trainer des Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga vorgestellt werden. Die RHEINPFALZ fragte gestern fünf Fußballtrainer nach ihrer Einschätzung.
Ralf Naßhan (TSG Kaiserslautern): „Der FCK hat einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt, um Marco Kurz zu entlassen. Es hätte früher geschehen müssen. Spätestens nach der Niederlage in Mainz. Aber egal, wie der neue Trainer heißt, er wird es schwer haben, die Mannschaft vor dem Abstieg zu retten. In dieser Saison wurden viele Fehler auf dem Betzenberg gemacht. So hat keiner der Spieler, die neu verpflichtet wurden, den FCK weitergebracht. Die Mannschaft hat einfach keine Offensivqualität. Ob Krassimir Balakov ein guter Trainer ist, weiß ich nicht. Ich glaube, er war in den letzten Jahren zu weit weg von der Bundesliga. Wie alle hier in Kaiserslautern hoffe ich, dass der FCK in Freiburg gewinnt. Aber ich befürchte, auf den FCK wartet ein bitteres Saisonende.”
Oliver Gies (Eintracht Kaiserslautern): „Die Trennung von Marco Kurz kam viel zu spät. Eigentlich hätte noch jemand Courage zeigen und mit ihm gehen müssen - und zwar derjenige, der für die Einkaufspolitik verantwortlich ist. Unbedingt hätte man den Torwart Kevin Trapp verkaufen und mit dem Geld einen erfahrenen Stürmer verpflichten müssen. Kurz hat viele Fehler gemacht. So hat er die Abwehr, die im Aufstiegsjahr so stark war, auseinandergerissen. Zuletzt hatte Kurz seine Geradlinigkeit verloren. Nach der Heimniederlage gegen Köln hätte sich der FCK von Kurz trennen müssen. Ich glaube nicht, dass der FCK mit Balakov den Klassenverbleib schafft. Er hat als Trainer noch nichts vorzuweisen. Er ist der verkehrte Mann auf dem Betzenberg. Der richtige wäre Torsten Lieberknecht, der Trainer von Eintracht Braunschweig. Am Samstag in Freiburg wird der FCK verlieren, und damit ist dann der Abstieg besiegelt.”
Michael Wolter (VfR Kaiserslautern): „Krassimir Balakov war ein Riesenfußballer. Er bildete mit Bobic und Elber früher beim VfB Stuttgart das magische Dreieck. Was er als Trainer zu leisten in der Lage ist, kann ich nicht einschätzen. Aber jeder, der jetzt dieses Amt beim FCK übernimmt, steht vor einer verdammt schwierigen Aufgabe. Meiner Meinung nach ist die Mannschaft des FCK nicht bundesligatauglich. Marco Kurz kenne ich schon lange. Vor sieben Jahren war ich beim SC Pfullendorf und habe dort ein Probetraining absolviert. Kurz war damals der Trainer des SC. Ich habe ihn als kompetenten Trainer in Erinnerung. In dieser Saison ist aber beim 1. FC Kaiserslautern vieles schiefgelaufen. Vor allem haben viele gute Spieler den Verein verlassen. Ich denke da besonders an Srdjan Lakic. Die Neuverpflichtungen haben alle nicht eingeschlagen. Der Stürmer Sandro Wagner bemüht sich zwar, aber er schießt keine Tore. Zu dem Stürmerproblem kam dann auch noch ein Wechseltheater in der Abwehr hinzu. Dieses ständige Hin und Her in der Defensive, das hätte nicht sein müssen. Natürlich hoffe ich, dass es der 1. FC Kaiserslautern noch packt. Aber wenn er in Freiburg verlieren sollte, dann gehen die Lichter aus.”
Lars Schmitt (TuS Hohenecken): „Krassimir Balakov hat keine Erfahrung im Abstiegskampf. Aber vielleicht kann er ja der Mannschaft neues Leben einhauchen. Ich hoffe, dass der Trainerwechsel etwas bringt. Marco Kurz hat gute Arbeit geleistet. Doch in dieser Saison sind die Erfolge ausgeblieben. Der Mannschaft ist in den vergangenen 16 Spielen kein Sieg gelungen. Beim FCK ist es eigentlich kein Trainerproblem, es hängt an der Mannschaft. Sie hat einfach keine Qualität. Mit dem Kader ist nicht mehr rauszuholen. Aber rein rechnerisch ist der 1. FCK ja noch nicht abgestiegen. Und so lange das der Fall ist, muss die Mannschaft kämpfen und alles versuchen, um in der Bundesliga zu bleiben.”
Karl-Heinz Halter (SV Morlautern): „Der FCK hat viel Geduld mit Marco Kurz gezeigt. Eigentlich hätte man nach der Niederlage gegen Köln die Reißleine ziehen müssen. Die Verpflichtung Balakovs scheint der Griff nach dem letzten Strohhalm zu sein. Balakov war ein außergewöhnlicher Spieler, war eine richtige Granate. Wie er als Trainer ist, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass er ein in der Bundesliga unerfahrener Trainer ist. In dieser schwierigen Situation muss er die Mannschaft begeistern. Das ist das einzige Mittel, das noch helfen kann. Peter Neururer ist so ein Trainer. Der kann das. Die Freiburger haben jetzt in Christian Streich einen Trainer, der mit Herzblut bei der Sache ist. Von Herzen wünsche ich dem FCK, dass er es schafft, aber mein Verstand sagt mir etwas anderes.”
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau
Pfälzische Volkszeitung