Diskussionsthema zum Artikel: Heimkehr der Helden: "Zieht den Bayern die Lederhosen aus!"
Heimkehr der Helden: "Zieht den Bayern die Lederhosen aus!"
20 Jahre ist das Meisterstück schon her. Wir lassen das Jahr 1998 noch einmal aufleben und fragen Fans, wie sie das Meisterjahr erlebt haben.
Eine Zeitreise.
Vor 20 Jahren schaffte der 1.FC Kaiserslautern das, was bis heute und wohl auch bis in alle Ewigkeit unerreicht ist und bleibt: Ein Aufsteiger wird Deutscher Meister. Damals befand sich eine ganze Region im emotionalen Ausnahmezustand. Am Samstag trifft sich die Meisterelf von damals wieder, zur Heimkehr der Helden, vollzählig und trainiert von König Otto. Warum ist die Ehrung der Betzebuben von Einst und das Schwelgen in Erinnerungen so wichtig? Und was sagen Fans heute, die damals schon mitgefiebert haben?
Samstag, 2.Mai, 1998, 17:15. Abpfiff. Jubel. Heiterkeit. Und doch keine Ausgelassenheit. Das Spiel gegen den VFL Wolfsburg war schon nach gut einer Stunde entschieden, am Ende siegten die Roten Teufel mit 4:0 gegen die vom Pfälzer Urgestein Wolfgang Wolf trainierten Wölfe, die „schönste Niederlage meiner Karriere“, wie er später sagen sollte. Deshalb gingen schon seit mindestens einer halben Stunde die Blicke nur noch an die Wedau, wo der MSV Duisburg das 0:0 gegen die Bayern halten musste, um den FCK tatsächlich vorzeitig zum Deutschen Fußballmeister zu machen. Besser gesagt die Ohren, gab es damals doch noch keine Liveticker auf Smartphones, nein! Wer ein kleines Antennenradio dabei hatte, der war schwer gefragt in der noch alten, engen Westkurve. Und dann der erlösende Moment: Das Spiel in Duisburg ist aus, die Bayern haben es nicht geschafft, der FCK ist tatsächlich Meister. Die Mannschaft, die vor 2 Jahren noch aus der Bundesliga abgestiegen war, die ganze Pfalz in ein Tal der Tränen verwandelte, sie sorgt jetzt für die vielleicht größte Sensation in der Geschichte der Fußballbundesliga. Selbst das Pfälzer Fußballvolk, das hier und da manchmal zu einer übertriebenen Erwartungshaltung neigt, konnte damit wahrlich nicht rechnen, auch wenn es der ein oder andere im Laufe dieser grandiosen Saison vielleicht zu hoffen vermochte.
Vom Traum zum Rausch
Jan war damals 13 Jahre alt und bereits seit 1994 - als man Vize-Meister wurde - FCK Fan, weswegen der Betze von „seinem Selbstverständnis zu den besten Mannschaften Deutschlands gehörte“. Doch diesen Erfolg hatte auch er nicht auf dem Schirm. „Man konnte es gar nicht wahrhaben, aber nachdem wir so grandios gestartet waren, hoffte ich jede Woche, dass dieser Lauf anhält. Die Mannschaft eilte von Sieg zu Sieg, sodass eine Meisterschaft sehr früh mein heimlich ernstgemeinter aber unrealistischer Traum war“.
Der Saisonstart. Er begann genauso grandios wie die Saison selbst. „Alles nur kein Debakel“ hörte man hierzulande oft, hatten die Spieltagsplaner dem FCK zum ersten Spiel ausgerechnet eine Auswärtsfahrt nach München beschert. Doch was folgte war das 1:0 Siegtor von Michael Schjönberg, gekrönt mit einem Jubellauf von Otto Rehhagel zum Lautrer Anhang, der die Marke Husain Bolt verdient hätte, wäre dieser damals schon bekannt gewesen.
Beflügelt von diesem Sensationsergebnis spielte sich der FCK in einen Rausch, ein Gefühl der Leichtigkeit machte sich breit, dass die Lethargie der vergangenen Tage und Monate verdrängte, als ginge es mit dem Teufel höchstpersönlich zu. Emotionen, die auch auf die Pfälzer Gemütslage übergriffen. „In diesen Tagen hatte man das Gefühl alles ist möglich, egal was man anpackt, das galt für den Betze, aber auch für einen privat. Einfach eine geile Zeit!“, erinnert sich Markus, heute 35 Jahre alt.
Von diesem Gefühl können wohl Generationen von Lautrern ein Lied singen, für andere dagegen war es der Moment, in dem das FCK-Virus zuschlug. So auch bei Anke, heute 40 Jahre alt und Dauerkartenbesitzerin im Block 9.2. Sie war in der Saison 97/98 noch kein eingefleischter Fan, ging nur gelegentlich mit ihrem Onkel auf den Betze. Das sollte sich bald ändern, erst recht nach einem ganz besonderen Erlebnis. Doch langsam. Schließlich war auch die Erfolgsstory aus der Saison 1997/1998 keine Kurzgeschichte, sondern ein langer steiniger Weg, der auch Rückschläge mit sich brachte.
Zittern? Bis zur wichtigsten Flanke der Karriere
Denn nachdem er sich unter dem Weihnachtsbaum auf einmal als Herbstmeister wiederfand, hatte der furchtlose Aufsteiger aus der Pfalz auf einmal etwas zu verlieren. Zum ersten Mal wirklich präsent wurde die nahende Meisterschaft, als die Münchner Bayern auch zum Rückspiel auf dem Betze ohne Punkte die Heimreise antreten mussten und mit 0:2 ihre Lederhosen einpackten. Nachdem zunächst noch Didi Hamann mit einem Eigentor den FCK in Führung brachte, bebte der Betze in der 85. Minute endgültig, als Marian Hristov zum 2:0 vollendete. Ja, da merkten es alle: Es ist möglich, wir können es zusammen schaffen!
Doch als es auf das Saisonfinale zuging, schienen die Nerven etwas zu flattern. Gab es am 24. Spieltag im Pfälzisch-Badischen Derby gegen den Karlsruher SC und eine Woche später in Bremen noch zwei Unentschieden und rettete man gegen die Freunde von 1860 München noch einen 1:0 Sieg über die Zeit, folgten danach vier sieglose Spiele, unter anderem mit einer deftigen 0:3 Heimpleite gegen Bayer Leverkusen. Nur 1 Sieg in 7 Spielen, das war die Bilanz ehe man am 32. Spieltag Borussia Mönchengladbach mit Ex-Trainer Friedel Rausch empfing. Die Bayern waren bis auf 2 Punkte herangerückt. Sollte es doch noch schief gehen? Sollten die Bayern wieder einmal am Ende ihre Überlegenheit ausspielen und den FCK kurz vor der Ziellinie überholen? Lange sah es gegen die Fohlen aus Mönchengladbach danach aus. 0:2 nach 43 Minuten, Zweifel schlichen sich ein.
Doch dann kam Olaf Marschall und verkürzte noch in Halbzeit 1 auf 1:2. Doch dem nicht genug, glich er auch noch in der 61. Minute aus, der FCK war wieder da! Und die Saison wäre nicht die Saison 97/98, wenn es das gewesen wäre.
Bis heute ist dieser 32. Spieltag für viele einer, wenn nicht DER Schlüsselmoment, der den Weg zur Meisterschaft ebnete. „Unvergessen ist für mich das Spiel gegen Mönchengladbach, als Marco Reich in der 90. Minute, die wohl wichtigste Flanke seines noch jungen Lebens schoss. Das war ein absolutes Highlight!“, erinnert sich der heute 33-jährige Jan an die Schlussphase. Manchmal wünscht er sich solche Flanken auch noch heute, wenn er mit dem FCK in Liga 3 mitfiebert.
Eben jene Flanke von Marco Reich, veranlasste wiederum einmal Olaf Marschall zu einem fulminanten Kopfball, der sich unhaltbar hinter dem Gladbacher Keeper Kamps in die Maschen senkte. Das Spiel war gewonnen, Gladbach so gut wie abgestiegen und nun war klar: Gewinnt der FCK auch gegen Wolfsburg und siegt Bayern gegen Duisburg nicht, wären die Lautrer vorzeitig und vor allem zu Hause Deutscher Meister.
Es folgte also eben jenes Spiel, das früh zu Gunsten der Pfälzer entschieden war und an dessen Ende ein grenzenloser, nicht fassbarer Jubel stand, man war tatsächlich zum vierten Mal Deutscher Meister. Alle zusammen, auf dem Betze, im Fritz-Walter-Stadion, der das auch noch erleben durfte. Bei den anschließenden Feierlichkeiten über zwei Wochen, bis die Meisterschale überreicht wurde, erlebte so manch einer ein unvergessliches und einschneidendes Erlebnis.
„Ich sah das letzte Spiel gegen den HSV, bei dem zehntausende Lautrer mit nach Hamburg fuhren, in der Stadt, mein Cousin und mein Onkel waren dort. Als am nächsten Tag der Autokorso durch die Stadt ging, versammelten wir uns am Rathaus. Sicherheitsleute markierten Absperrungen, ehe der Bus mit den Spielern ankam. Doch auf einmal merkten wir, dass wir HINTER der Absperrung standen. Und als dann der Bus hielt, die Spieler ausstiegen, stand auf einmal Otto Rehhagel vor uns und streckte uns die Schale entgegen. Ich streichelte sie zart, anschließend tätschelte Otto meiner Freundin noch liebevoll durchs Gesicht. Es war um uns geschehen, der Tag hätte perfekter nicht sein können“, erzählt Anke, begeistert als wäre es gestern gewesen. Es hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie steht noch heute in der Westkurve und liebt und leidet ihren 1.FC Kaiserslautern.
Ein verschworener Haufen - Und was man noch heute davon lernen kann
Zusammen, das verkörperte diese Mannschaft wahrhaftig. Eine Einheit, mit der sich jeder Anhänger zu einhundert Prozent identifizieren konnte. Vor allem, weil sie den Begriff „Ehrenmänner“ prägten, lange bevor ihn die Westkurve im Jahr 2018 einfordern musste.
Sie verloren zusammen, sie blieben und siegten wieder. So erinnert sich auch Jan. „Im Kern war das ja die gleiche Mannschaft, die 1995 noch Vierter wurde, und 1996 sehr unglücklich abgestiegen ist. Die Qualität stimmte also, ebenso die Mentalität, die Mannschaft hatte ja nichts zu verlieren. Erst als die Meisterschaft bei zeitweise 10 Punkten Vorsprung auf Bayern langsam Realität wurde, merkte man verständlicherweise Nervosität. Der Garant für den Erfolg war aus meiner Sicht Olaf Marschall, dem in diesem Jahr einfach alles gelang“.
Oh ja, Olaf Marschall ist sicher einer, der zu nennen ist, fragt man nach den Spielern der Saison. „Olaf Marschall, Fußballgott!“, dieser mittlerweile legendäre Ausspruch wurde 1998 geboren und er wurde Olaf gerecht, zumindest in diesem Jahr. Er traf alles und jeden, aus jeder Position, aus jedem Winkel. Er war in der Form seines Lebens, so eiskalt netzte er vorher und nachher nicht mehr.
Doch es sind noch so viele mehr zu nennen. Da wäre der Abwehrchef Miroslav Kadlec, der Hüne, der seine letzte Saison für die Roten Teufel spielte, ihn sollte man die nächsten Jahre noch schwer vermissen. Oder Publikumsliebling Harry Koch, der zur Kultfigur am Betze reifte. Die beiden Kapitäne, Weltmeister Andi Brehme, der nach dem Abstieg, als er in den Armen Rudi Völlers bittere Tränen weinte, blieb und die Mannschaft wieder nach oben führte. Und Ciriaco Sforza, der Spielgestalter, der von Inter Mailand zurückkehrte und zur Weltklasse aufblühte.
Oder Andi Buck, dem kein Weg zu weit war, der mit seiner Schnelligkeit das Mittelfeld umpflügte und die Gegner schier verzweifeln ließ. Und natürlich die Zaubermaus, gekommen aus der Schweiz, Everson Rodrigues, genannt Ratinho. Die schnellste Maus der Pfalz wurde nicht nur schnell zum Liebling von Otto Rehhagel, sondern auch vom Lautrer Anhang. Flink und technisch versiert ließ er manchen arrivierten Bundesligaspieler alt aussehen. Und er ließ es sich auch nicht nehmen, als die Meisterschaft perfekt war, mit den Fans zu feiern. „Die Mannschaft feierte spät abends nach dem Wolfsburgspiel in der Fruchthalle und wir feierten davor und irgendwann kam Rathinho raus und sagte uns hallo und feierte kurz mit“, beschreibt Anke den Tag als die Meisterschaft perfekt war.
Und, und und… Man müsste sie eigentlich alle nennen. Es war EINE Mannschaft. Geführt von einem Trainer, der genau zur richtigen Zeit, am richtigen Ort war. Eine Symbiose, die in diesem Jahr nicht hätte stimmiger sein können. Und genau deswegen, weil diese Mannschaft die Lautrer Werte so verkörpert hat wie vielleicht keine andere seit der legendären Walter-Elf, weil sie für einen der größten Triumphe der Vereinsgeschichte gesorgt und sie uns Emotionen und Erlebnisse beschert hat, von denen wir noch heute zehren und durch die eine ganze, neue Generation an FCK Fans entstanden ist, hat diese Mannschaft es verdient, dass sie am Samstag gebührend gefeiert wird.
Trotzen wir dem Alltag, den Sorgen des grauen 3. Liga Geschäfts, den Ängsten um die Zukunft unseres geliebten FCK. Ehren wir Meister, wie es Meistern würdig ist. Denn so viele Helden und Ikonen vergangener Tage haben wir nicht mehr. Außerdem lässt sich vieles aus der damaligen Zeit für heute lernen. Oftmals heißt es: Das Weilen in der Vergangenheit ist eine Gefahr für die Zukunft. Doch im Falle des FCK tut es ab und an auch einmal Not.
Das Lautrer Fan Herz wurde viel gebeutelt die letzten Jahre. Mehrmals lag es auf der Intensivstation und war in äußerst kritischem Zustand. Geben wir ihm ein wenig Nahrung, lassen es einmal wieder höherschlagen und an dem erfreuen, was Teil der Lautrer DNA ist. Vielleicht lässt sich etwas der dadurch entstehenden Energie mitnehmen in den Ligaalltag. Auch unsere aktuelle Mannschaft, die sicherlich weit davon entfernt ist solch einen Helden Status inne zu haben, hätte das verdient. In Zwickau stimmte der Wille, die Einstellung und auch das Spiel, lediglich der Schiedsrichter hatte etwas dagegen einzuwenden.
Wenn sich die ganze Pfalz auf das besinnt, was sie in erfolgreichen Tagen immer ausgezeichnet hat, nämlich die Mannschaft und das Umfeld, dann ist nach wie vor alles möglich. Auch, wenn manche uns das vielleicht nicht mehr zutrauen. Das tat 1998 wahrlich auch niemand. Und heute kann man mit Fug und Recht behaupten: „Weißt du noch wies damals war? Deutscher Meister, wird nur der FCK!“
Heimkehr der Helden: Die 98er Meistermannschaft
Tor:
Abwehr:
Mittelfeld:
Sturm:
Trainerteam:
Das Programm bei der "Heimkehr der Helden"
Quelle: Treffpunkt Betze
Bilder: Heimkehr der Helden