Diskussionsthema zum Artikel: Der Untergang auf Raten
Der Untergang auf Raten
Der 1. FC Kaiserslautern ist dabei, sich selbst abzuschalten - Wie sich ein einstmals gesunder Verein das eigene Grab gräbt.
Der 1. FC Kaiserslautern steht wirtschaftlich am Abgrund, sportlich in der nicht ungefährlichen Grauzone der Dritten Liga, gerade mal vier Punkte vor dem ersten Abstiegsplatz. Die Lizenz für die Drittliga-Saison 2019/20 ist alles andere als sicher. In diesen Tagen lesen sich Beiträge über die beiden ersten deutschen Meisterschaften der Roten Teufel 1951 und 1953 wie Märchen – Fußball-Märchen aus vergangener Zeit. Heinz Alles, Sport-Enthusiast aus Göllheim im Donnersbergkreis, hat über Jahrzehnte Beiträge aus dem „Kicker“, der „Pfälzischen Volkszeitung“, dem „ASZ-Sportblatt“ und der RHEINPFALZ gesammelt. Die Schatztruhe voll wunderbarer Lesestücke haben nach seinem Tod seine Tochter Jutta Alles-Reiter und sein Schwiegersohn Lutz Reiter der RHEINPFALZ-Sportredaktion zur Verfügung gestellt. Das FCK-Museum und das Pfälzische Sportmuseum in Hauenstein haben demnächst ersten Zugriff auf die Kostbarkeiten – journalistische Besonderheiten mit sporthistorischem Glanz.
Geschäftsführer will Wiederaufstieg noch nicht abschreiben
Lebt der FCK bald nur noch im Museum, lebt der FCK nur noch auf der Ahnentafel seiner glorreichen Geschichte? Die Gefahr ist groß, wenn es den Verantwortlichen in Vorstand und Aufsichtsrat nicht gelingt, die theoretisch vollzogene Ausgliederung der Profi-Abteilung praktisch mit Leben, sprich Kapital, zu füllen. Mehr als eine halbe Hundertschaft großer Traditionsvereine hat in Deutschland Insolvenz angemeldet – es gibt sie alle noch. Meist in der Regionalliga – wie Alemannia Aachen, Rot-Weiss Essen, Kickers Offenbach. Darmstadt 98 ist der einzige Pleitenklub, der es noch einmal in die Bundesliga schaffte. Und der FCK? Pleite? Schuldenfreier Neustart in der Regionalliga Südwest? Wohl kaum! Oder doch? Ein Derby gegen den FKP oder gegen Wormatia Worms wäre kein wirklicher Trost.
Der angepeilte direkte Wiederaufstieg des FCK in die Zweite Bundesliga, die Zielvorgabe der Saison, mag Martin Bader, der Geschäftsführer Sport, noch nicht abschreiben. Ist das realistisch? Er ist nach wie vor von „seinem“ Kader überzeugt. Sagt er. Was nichts anderes heißt, als dass der nach dem 17. Spieltag abgelöste Cheftrainer Michael Frontzeck zu wenig aus dem Team herausgeholt hat. „Eine hochspannende Mannschaft“, urteilt der neue Trainer Sascha Hildmann, dem im kritischen Umfeld viele Zweifler begegneten noch bevor er ein Spiel verloren hatte. „Das ist ein sehr guter Trainer“, beteuert Bader.
"Betze" bei Heimspielen halbleer
„Ich wurde praktisch am Zaun entlassen – nach dem 0:0 gegen Wiesbaden“, sagte Frontzeck, der eine Woche später nach dem 0:5 in Unterhaching beim FCK Geschichte war. Der Trainer wurde geopfert, das Vertrauen der Führung in ihn war aufgebraucht, die Mannschaft hatte Frontzeck auch ein stückweit verloren. Kredit bei den Fans hatte Frontzeck, der mit Lügen im Netz und mit einigen böswilligen Kampagnen leben musste, immer nur kurzzeitig. Frontzeck aber hat Recht, dass der FCK, seine Fans, sein Umfeld aller stolzen Geschichte zum Trotz annehmen müssen, nach einer langen Fehlentwicklung in der Dritten Liga gelandet zu sein. Der Neustart mit 15 externen Neuen – eine Herkulesaufgabe. Frontzeck hat das Ziel Wiederaufstieg angenommen – wohl auch, weil auch er den Kader überschätzt und die Schwere der Aufgabe unterschätzt hat. Der FCK wird gejagt – weil er diesen großen Namen trägt.
Der „Betze“ ist bei Heimspielen halbleer. Nicht schön für den FCK-Fan, der 40.000, 50.000 gewohnt war. Aber für die meisten Gästemannschaften sind 20.000, 24.000 Zuschauer Traumkulissen. Wehen Wiesbaden hatte zuletzt daheim 1200 Zuschauer, wenn der Aufstiegsaspirant dann vor 20.000 in Lautern spielt, pusht ihn das, motiviert das zusätzlich. Und der Lauterer Heimvorteil ist irgendwie auch gegen einen mauernden Gast dahin. Im Sommer wird die Rückzahlung der Fananleihe in Höhe von 6,9 Millionen Euro völlig – eine Erblast aus der Ära Kuntz. Stefan Kuntz ist seit bald drei Jahren weg – er wickelte kurz vor seinem Abgang im April 2016 noch den Verkauf von Jean Zimmer zum VfB Stuttgart ab. Das Geld floss sofort – der Liquiditätsengpass war behoben, weitere Substanz verscherbelt.
"Platz zehn ist nicht der Anspruch"
Im Sommer 2016 wurde Marius Müller für zwei Millionen Euro verkauft, Jon Dadi Bödvardsson nach grade mal 15 Zweitligaeinsätzen für 3,2 Millionen nach Wolverhampton transferiert. Im Jahr danach verkaufte der FCK die aus dem eigenen Talentschuppen nach oben gekommenen Julian Pollersbeck und Robin Koch für rund 7,5 Millionen. Rücklagen zur Rückzahlung der Fananleihe, mit der Kuntz schon waghalsig im Tagesgeschäft operiert hatte, wurden nicht geschaffen – mit den Millionen wurde der Abstiegskader 2017/18 finanziert. 2016/17 hatte der irrlichternde Aufsichtsratschef Nikolai Riesenkampff mit seinem realitätsfernen Kabinett den Bundesliga-Aufstieg als Ziel ausgerufen. Ohne Kuntz sollte alles viel besser werden. Der neue Sportdirektor Uwe Stöver feuerte Trainer Konrad Fünfstück sogleich mit einer bemerkenswerten Begründung: „Platz zehn ist nicht der Anspruch des 1. FC Kaiserslautern.“ Ein Jahr später war der FCK 13. – gerettet am letzten Spieltag. Stöver schmiss hin. Der Abstieg folgte 2018. Der absolute Tiefpunkt.
Im Erfolg macht man die größten Fehler – heißt es. Der FCK verlor nach dem sensationellen Meisterstück 1998 die Bodenhaftung. Im unsinnigen Bestreben, mit dem FC Bayern dauerhaft auf Augenhöhe zu spielen, wurde der Kader mit überteuerten Altstars (Djorkaeff, Basler, Sforza) umgestaltet. Mit dem WM-Stadion hat sich der Verein restlos verhoben. Der Anfang vom Ende. Jürgen Friedrich trat ab, der FCK verlor sein Stadion, dem Sanierer René C. Jäggi ging es am Ende nur noch um die schwarze Null – so folgte 2006 der zweite Abstieg. Der Mietvertrag fürs Stadion, auf Erstliga-Niveau geplant, brachte den FCK ans Existenzminium. Der FCK musste sein Tafelsilber vergolden. Er verkaufte Substanz.
2008: Der FCK war mal wieder fast pleite, der Abstieg in die Dritte Liga drohte. Am 8. April 2008 übernahm Stefan Kuntz. Die Rettung gelang, 2010 der Wiederaufstieg, Platz sieben – die verfehlte Einkaufs- und Personalpolitik Kuntz’ führte 2011/12 zum erneuten Abstieg. Ein Jahr später scheiterte der FCK in der Relegation an Hoffenheim, wurde dann zweimal Vierter. Das Scheiten 2014/15 mit Spielern wie Demirbay, Sippel, Stöger, Younes, Orban und Heintz sorgte für ein katastrophales Stimmungstief. Trainer Kosta Runjaic hatte bald ausgedient. Aufsichtsratschef Dieter Rombach hatte einen guten Plan mit einer Führungstroika: mit einem Finanzchef, einem Marketingchef und Kuntz als Sportvorstand. Rombach wurde gestürzt, der Plan war Makulatur, und Kuntz war der Rückhalt genommen. Thomas Gries kam als Vorstandsvorsitzender, Michael Klatt als Finanzvorstand. Gries wurde Anfang 2018 vom neuen Aufsichtsratschef Patrick Banf entlassen. Klatt bekommt sehr gute Noten für sein Wirken. Aber er ist auch Teil des Ganzen.
Es geht nur zusammen
Der FCK heute? Der Aufsichtsrat hat nach nur drei Monaten den ehrenamtlichen Vorsitzenden des Vereins entlassen. Mit Rainer Keßler wurde ein kritischer Geist entsorgt, der dem FCK dauerhaft hätte gut tun können. Der Konflikt musste nicht mit einem Rosenkrieg samt Scheidung enden. Alle wissen: Es geht nur zusammen. Es geht nur als Einheit. Und dann das! Am Ende gab es nur Verlierer. Wie so oft in den letzten 20 Jahren.
Der FCK und seine Ideale, der FCK und seine Geschichte haben verdient, dass der Verein auch ein Morgen erlebt und nicht nur im Museum eine Rolle spielt. 2020 ist der 100. Geburtstag Fritz Walters. Sein Erbe ist Verpflichtung. Für Patrick Banf, für Michael Klatt und Martin Bader, für Trainer Sascha Hildmann samt der Angestellten in kurzen Hosen!
Quelle: Rheinpfalz
Link: https://www.rheinpfalz.de/spor…-der-untergang-auf-raten/