Diskussionsthema zum Artikel: Streitpunkt Pyrotechnik: Die Kurve muss brennen – aber sicher!
Streitpunkt Pyrotechnik: Die Kurve muss brennen – aber sicher!
Pyrotechnik sieht beeindruckend aus, ist jedoch nicht ungefährlich und kostet den FCK deftige Strafen. Im Streit prallen Welten aufeinander. Welchen Standpunkt vertreten dabei Betze-Fans?
Am 06. Januar wurde der 1. FC Kaiserslautern wieder einmal zu einer Geldstrafe verurteilt: 20.400 Euro musste der FCK für die vielen beim Auswärtsspiel im Hamburg gezündeten Feuerwerkskörper blechen. Nur wenige Tage später folgte eine weitere Geldstrafe in Höhe von 34.000 Euro. Sanktioniert wurde der Einsatz von Rauchtöpfen, bengalischen Feuern und pyrotechnischen Gegenständen. Es wird gewiss nicht die letzte Sanktion dieser Art bleiben. Gleichzeitig erinnern Bilder wie beim Derby gegen den KSC, als nahezu die gesamte Westkurve rot leuchtete, an das legendäre 3:1 gegen den FC Barcelona aus dem Jahr 1991.
Doch Pyrotechnik polarisiert. Wie geht der Verein mit den bengalischen Feuern um? Und wie blicken die Fans der Roten Teufel auf die Thematik? Treffpunkt Betze Redakteur Thomas nimmt eine Bestandsaufnahme vor und begibt sich auf Kompromisssuche.
Pyrotechnik: Eine ewige Debatte
Es gibt wenige Themen, die sich so konstant in den Debatten rund um Fußballspiele erhalten wie Pyrotechnik. Medien kritisieren diese zwar sehr häufig als verboten und gefährlich, werben dann allerdings gerne mit den Aufnahmen glühender Kurven, um die Einschaltquoten für das nächste Topspiel zu erhöhen. Diese Doppelmoral steht symbolisch für das Dilemma, in dem sich auch viele Fußballfans befinden: Potenzielle Gesundheitsgefährdung vs. tolle Choreografien und verbesserte Stimmung.
Wichtig ist bei diesem Themenkomplex eine saubere begriffliche Trennung, deshalb sei vorangeschoben: Pyrotechnik ist grundsätzlich zwar ein Überbegriff für alle möglichen Feuerwerksgegenstände. Im Laufe dieses Artikels wird der Begriff – wie im Fußball häufig praktiziert – lediglich synonym für Objekte mit Licht- und Nebelwirkungen (auch: bengalische Feuer) verwendet und damit gezielt von Raketen und Böllern abgegrenzt.
Mehrheit der befragten FCK-Fans befürwortet Pyro-Shows
Um einen umfassenderen Überblick darüber zu bekommen, wie das Meinungsbild der FCK-Fans zum Thema Pyrotechnik ausfällt, führte Treffpunkt Betze eine Umfrage durch, an der sich rund 1500 Personen beteiligten. Der Tenor scheint hierbei zunächst recht eindeutig zu sein: 82% (1.171 Stimmen) sprechen sich grundsätzlich für den Einsatz von Pyrotechnik aus. Etwas ausgeglichener fällt das Resultat aus, wenn man die Befragten nach soziodemografischen Merkmalen unterscheidet. Unter den Männern sind nur 17% (199 von insgesamt 1206 befragten Männern) prinzipiell dagegen, bei den Frauen hingegen 28% (63 von ingesamt 222 befragten Frauen). Zusätzlich fällt auf, dass Fans, die Spiele primär im Stadion (9% gegen Pyrotechnik) und Fans, die Spiele primär im TV verfolgen, (52% gegen Pyrotechnik) sehr unterschiedlich auf das Thema blicken. Dies könnte damit zusammenhängen, dass Fans vor Ort die Wirkung von Pyrotechnik auf die Stimmung anders wahrnehmen als der Fan auf der heimischen Couch. Und es könnte damit zusammenhängen, dass vor dem Fernsehgerät eher das Spiel und weniger die Stimmung eine Rolle spielt - und damit gleichzeitig die Argumente gegen Pyrotechnik in den Vordergrund treten.
Besonders deutlich werden die Unterschiede außerdem bei einer altersbasierten Differenzierung: Befragte, die jünger als 45 Jahre sind, sprechen sich nur zu 12% (131 Stimmen) gegen Pyrotechnik aus. Bei den Fans, die mindestens 45 Jahre auf dem Buckel haben, sind es hingegen 42% (130 Stimmen) - ab einem Alter von 55 Jahren sogar 55% (76 Stimmen). Gut möglich, dass genau diese Alterskohorte in den 80er und 90er Jahren dies noch etwas anders gesehen hat.
Bedeutung und Symbolik von Pyrotechnik
Damals waren die Fans des 1. FC Kaiserslautern in einer Vorreiterrolle, denn brennende Kurven kannte man zu dieser Zeit primär aus Italien. Aus jener Zeit stammt der weit über Stadtgrenzen hinaus bekannte Slogan: „Der Betze brennt“. Und wäre der Betze noch immer der Betze, wenn er nicht mehr brennen würde? Eine Unterdrückung der Pyrotechnik gefährdet den Erhalt einer langen Tradition, welche vielen Stadionbesuchern und Stadionbesucherinnen einen großen emotionalen Mehrwert bietet. Doch heutzutage wird der Einsatz von Pyrotechnik in Fußball-Deutschland durchaus kritischer gesehen. Während man beim FCK die Strafen meist noch sehr kleinlaut akzeptiert und nicht zuletzt aufgrund der Historie der Pyrotechnik wahrscheinlich nicht gänzlich abgeneigt ist, distanzieren sich manche Vereine wie der SC Paderborn ausdrücklich von solchen Aktionen und rufen sogar dazu auf, bei der Suche nach den Tätern mitzuhelfen.
Wie bereits angedeutet lässt sich aus den Umfrageergebnissen ein möglicher Generationenkonflikt ableiten. Auch wenn es bengalische Feuer auf dem Betze bereits vor den ersten Ultra-Bewegungen gab, hat sich der Einsatz trotzdem schnell zu einem Teil der Ultra-Kultur entwickelt – und somit ebenso zum Teil einer Jugendkultur. Spektakuläre Pyro-Aktionen bringen in der Ultra-Szene viel Respekt ein. Zum einen durch das martialische Bild, das geschaffen wird - zum anderen auch vielleicht gerade deshalb, weil Pyrotechnik verboten ist und somit auch etwas Rebellisches mit sich bringt. Rebelliert wird dabei auch sinnbildlich gegen die immer weiter voranschreitende Kommerzialisierung des Fußballs und den DFB als Treiber dieser Entwicklung, in dessen Wertevorstellungen von einem familienfreundlichen Image derartige Aktionen nicht passen.
Der Journalist Nico Heymer bezeichnet in einem Beitrag aus der ZDF-Dokureihe „frontal“ Pyrotechnik als ein „Symbol für Emotion und Tradition sowie den echten, ehrlichen Fußball“. Dies deckt sich mit den in der Umfrage von FCK-Fans genannten Argumenten: Der enge Zusammenhang von Pyrotechnik mit der Fankultur, die schöne Optik der Choreografien sowie der Einfluss auf die Stimmung in der Kurve rechtfertigen ihrer Meinung nach das Abbrennen der Fackeln. In vielen anderen Medien hingegen dienen die Video-Aufnahmen eher als Symbol für Hooliganismus und Krawall, obwohl vor allem ersteres damit nicht viel zu tun hat.
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Pyrotechnik ist nicht ungefährlich
Eines lässt sich allerdings definitiv nicht leugnen: Pyrotechnik ist – bei unsachgemäßem Gebrauch – gesundheitsgefährdend. Die Fackeln werden in ihrem Inneren bis zum 2000⁰C heiß und können daher heftige Verbrennungen verursachen. Zur Wahrheit gehört aber, dass solch schwere Unfälle äußerst selten sind. Laut der Zentralen Informationsstelle Polizeieinsätze (ZIS) besuchten in der Saison 2021/2022 in den drei deutschen Profiligen etwa 12 Millionen Menschen die verschiedenen Stadien, wobei lediglich 31 Personen durch Pyrotechnik verletzt wurden. Ein Anteil von 0,00026%. Die absolute Zahl ist nicht zu verharmlosen. Dennoch sollten weiterhin alle Bemühungen unternommen werden, damit diese Zahl weiter sinkt. Nichtsdestotrotz ist Fakt, dass schwere Verletzungen eine extreme Seltenheit darstellen. Solange die Bengalos in der Kurve bleiben, nicht im Familienblock gezündet oder auf das Spielfeld geworfen werden, ist eine Gefährdung anderer - im Sinne von Verbrennungen - oder des „Familienpublikums“, welches der primären Zielgruppe des Deutschen Fußball Bundes entspricht, eher ausgeschlossen. Reizungen von Augen, Nasenschleimhäuten oder Atemwegen ist hier explizit nicht inbegriffen. Dieses Risiko bleibt per se vorhanden und ist nicht von der Hand zu weisen.
Strafenmodell ohne Wirkung
Dennoch ergibt sich aus der Umfrage, dass die potenzielle Gesundheitsgefährdung gar nicht das Hauptargument der Pyro-Gegnerinnen und -gegner ist. Es sind vielmehr die hohen Strafen, die der Verein an den DFB überweisen muss. In der abgelaufenen Spielzeit waren das – trotz teilweise noch vorhandener Zuschauerbeschränkungen – etwa 3 Millionen Euro, die der DFB bei den Vereinen eingetrieben hat. Die Meinung von 70% der Befürworterinnen und Befürworter aus der Umfrage beeinflussen diese Sanktionen allerdings überhaupt nicht. Die Art der Bestrafung ist ohnehin auch juristisch zu hinterfragen, da ein ganzer Verein für das Handeln einzelner Personen bestraft wird. Der Bundesgerichtshof wertet die Geldstrafen allerdings gar nicht als Bußgelder für bereits geschehene Taten, sondern als reine Präventivmaßnahmen – und das, obwohl sich die Höhe der Strafe immer konkret aus bereits abgebrannten Fackeln aufsummiert. Das klingt von außen betrachtet zumindest wie ein Widerspruch.
Des Weiteren dienen die Sanktionen teilweise gar nicht als Abschreckung, sondern vielmehr als Motivation. Der Dresdner Philipp Winskowski kam in seiner Doktorarbeit zum Thema „Geldstrafen für Pyrotechnik“ nach einigen Gesprächen mit Vertretern aktiver Fanszenen zu der Erkenntnis, dass manche sogar „gerne Randalemeister werden wollen“ und gegen Ende einer Saison gezielt gegen die Regeln verstoßen, um andere Fanszenen in der Strafen-Tabelle noch zu überholen. Die Sinnfreiheit dieser Motivation mal außen vor, zeigt dieses Beispiel doch umso mehr auf, dass die Abschreckungsversuche der Verbände ins Leere gehen und teilweise sogar kontraproduktiv sind.
Eine Reduzierung der Strafen für den Verein wäre zwar ein guter Schritt, um manche kritische Stimmen zu überzeugen, allerdings ein ebenso unwahrscheinlicher. Zudem ist in diesem Kontext der positive Marketing- bzw. Image-Effekt, den tolle Pyro-Shows für einen Verein haben, nicht zu unterschätzen. Bilder der Pyro-Choreografien sehen spektakulär aus, werden daher vor allem in den sozialen Medien schnell und weit verbreitet und ziehen somit viel Aufmerksamkeit auf den Verein. Tatsächlich ist nicht auszuschließen, dass dieser Effekt den finanziellen Aufwand, der durch Geldstrafen entsteht, überwiegt, da solche Aktionen zu mehr Begeisterung für den Verein und somit indirekt bspw. zu mehr Fanartikel- oder Ticket-Verkäufen führen können. Nähere Untersuchungen dazu gibt es allerdings nicht.
Kompromisssuche
Ob man es gut findet oder nicht: Pyrotechnik ist seit vielen Jahren Teil der Fußballkultur und wird auch nicht mehr verschwinden, da der DFB und auch die Polizei mit ihrem Latein am Ende zu sein scheinen. Die hohen Geldstrafen halten die Fans nicht vom Zündeln ab. Direkte Festnahmen der Täter im Block sind praktisch nicht umsetzbar, da sie schnell zu einer Massenpanik führen können. Diese ist natürlich unbedingt zu vermeiden, wenn mitten im Block extrem heiße Fackeln brennen. Das Filmen der Blöcke wird hingegen teilweise bereits praktiziert, aber auch hier finden Fans Wege, eine eindeutige Identifikation ihrer Person zu umgehen.
Umso wichtiger ist es, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Nur wenn man Pyrotechnik als Bestandteil der Fußball- und Fankultur akzeptiert, ist es möglich, konstruktiv an einer nachhaltigen Lösung zu arbeiten. Dazu gehört allerdings ebenso eine Zusage der Ultra-Gruppen, zukünftig auf das Zünden von Böllern oder das Abschießen von Raketen zu verzichten, da letztere in der Vergangenheit teilweise sogar gezielt als Waffe eingesetzt wurden. Solche Aktionen sind nicht nur asozial und äußerst gefährlich, sie schaden ebenso der Debatte um eine mögliche Legalisierung schöner und Pyrotechnik enthaltender Choreografien. 2010 hatte ein Bündnis der größten Ultra-Gruppen Deutschlands in Gesprächen mit den Verbänden genau diesen Kompromissvorschlag eingebracht - unter der Prämisse, dass von der Gegenseite Zugeständnisse für bengalische Feuer gemacht werden würden. DFL und DFB brachen die Gespräche allerdings ab, schlossen ein legales Abbrennen der Fackeln kategorisch aus und blockieren damit bis heute die Lösung des Konflikts. Die Verbände müssen endlich einen Schritt auf die Fanszenen zugehen, beispielsweise mit einer Duldung von Pyrotechnik in bestimmten und klar definierten Zonen des Fanblocks. So könnte gewährleistet werden, dass die Kurve auch in Zukunft brennt – und das noch sicherer als bisher.
Quelle: Treffpunkt Betze