Diskussionsthema zum Artikel: Marlon Ritter: Das Quäntchen Chaos im Disziplinsystem Schuster
Marlon Ritter: Das Quäntchen Chaos im Disziplinsystem Schuster
Marlon Ritter erlebte als FCK-Spieler sowohl die schwersten als auch die leichtesten Jahre der jüngsten Vergangenheit. Zeit, die Kreativkraft unter die Lupe zu nehmen.
Es ist ein heißer Sommertag im Juli, als der 1. FC Kaiserslautern als Zweitliga-Neuling den Sportclub aus Freiburg zur ersten Runde im DFB-Pokal empfängt. Nach rund einer halben Stunde erobert Daniel Hanslik den Ball, das Spielgerät rollt Marlon Ritter vor die Füße. Dieser hebt kurz den Kopf, legt sich den Ball auf Höhe der Mittellinie vor und zieht ab. Mark Flekken, der Freiburger Torwart, erkennt die Situation zu spät und kann Ritters Geniestreich aus 49 Metern nicht mehr verhindern. Der gebürtige Essener stellt mit seinem Traumtor das gesamte Spiel auf den Kopf und bringt den Europa-League-Teilnehmer aus dem Breisgau gefährlich nah an ein Erstrundenaus – wohlgemerkt gegen einen Verein, der zuletzt noch in der dritten Liga ums Überleben kämpfte. 222 Tage später zeigt Ritter beim schmeichelhaften 2:2 gegen den Vorletzten aus Sandhausen eine seine schwächsten Saisonleistungen. Was ist passiert?
Wenn Ritter liefert, liefert auch der FCK
Legt man die Lupe über den Allrounder und seine Leistungen, dann fällt auf, dass der 27-Jährige symbolisch für das Lautrer Spiel steht. Wenn Ritter liefert, dann liefern auch die Roten Teufel. Ritters Spielerprofil passt unter Cheftrainer Dirk Schuster perfekt zum FCK. Immer bissig, immer giftig und jederzeit in der Lage, das gesamte Spiel mit einer einzigen Aktion auf den Kopf zu stellen. Der Ex-Paderborner verpasste seit seinem Wechsel zum Betzenberg erst 12 Spiele in 2,5 Jahren. Beachtlich für einen Spieler, der einst auf dem Flügel eingesetzt wurde und auf den ersten Blick kaum in die defensiv-körperlichen Systeme eines Marco Antwerpen oder Dirk Schuster passt. Mit einer Körpergröße von 1,72m ist Ritter sowohl in der Luft (36% seiner Zweikämpfe in dieser Saison gewonnen) als auch auf dem Boden (47% gewonnene Zweikämpfe) kein Zweikampfmonster. Besonders im Ligavergleich auf der Position des Sechsers hinkt der Torschützenkönig der Regionalliga West (Saison 2016/17) deutlich hinterher. Zweikampfschwach, körperlich unterlegen - all das klingt wenig nach „Schusterball“. Wie kann diese Mischung, wie beispielsweise in der Aufstiegssaison und in der vergangenen Hinrunde, trotzdem so gut harmonieren?
Ritter: Der Spieler für Überraschungsmomente
Die Antwort? Die Arbeitsteilung auf der Doppelsechs. Mit Niehues, Rapp oder auch Tomiak steht für Ritter immer ein Partner bereit, der die Spielaspekte abdeckt, die zum Defizitbereich Ritters gehören. Wie einst ein Sergio Busquets, der im legendären Trio des FC Barcelona den Rücken für seine Kameraden Iniesta und Xavi freihielt. Der „Xavi vom Betzenberg“ kann folglich weitestgehend frei operieren und die Fäden im Angriff ziehen. Kein anderer Roter versteht es wie Marlon Ritter, den Überraschungsmoment zu suchen und mit eigener Genialität die gegnerische Abwehr auszuhebeln - sei es durch einen Sololauf, einen Seitenwechsel oder tiefe Pässe bis zur Grundlinie. Mit sechs Assists und sieben kreierten Großchancen reiht sich der Mann, der ursprünglich einmal für die dritte Liga geholt wurde, im oberen Drittel der Mittelfeldspieler in der zweiten Bundesliga ein. Sein offensiver Output ist entsprechend beachtlich. Das zeigt auch, dass sich Ritter enorm weiterentwickelt hat.
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Der FCK-Motor stockt im letzten Saisondrittel
Gleichzeitig fällt auf, dass Marlon Ritter und der 1. FCK zwar zweitligatauglich sind, für die Spitze des Unterhauses reicht es dann (noch) nicht. So schön die Träumerei vom Durchmarsch war, spätestens mit der 0:2 Niederlage beim Tabellenführer in Darmstadt wurden der Schusterelf die Grenzen aufgezeigt. Die Nummer sieben der Roten Teufel machte zwar durchaus ein solides Spiel, verpasste allerdings in Minute 24 die Chance auf den Führungstreffer. Auch sonst stockt der Motor in den letzten Wochen, besonders in der Fremde. Kritik gab es zuletzt nach der Pleite bei St. Pauli, als Dirk Schuster die Kreativabteilung, insbesondere die Passqualität, in Verantwortung nahm. „Vielleicht hätte uns da einer der Spieler gutgetan, die auf der Bank gesessen haben“, so Schuster wörtlich. Beim Spiel gegen den Kiezklub kam Ritter zur Halbzeit, brachte 29% seiner Bälle an den Mann und fand nie so richtig ins Spiel.
Ritter noch weit entfernt von der Hinrunden-Leistung
Auch hat der Lautrer Cheftrainer festgestellt, dass Ritter „im Vergleich zur Hinserie bei Weitem nicht das auf den Platz gebracht hat, was man von ihm gewohnt“ sei. Gründe für den Leistungsabfall sieht Schuster neben dem Fehlen im Trainingslager auch in der vorweihnachtlichen Vorbereitung, in der Ritter krank gewesen ist. „Das könnten Faktoren sein, die ihm noch nachhängen.“ Gleichzeitig weiß Schuster um die Bedeutung seines kreativen Mittelfeldspielers. „Unabhängig davon ist Marlon einer unserer Unterschiedsspieler, der dem Gegner weh tun, der das Spiel in die richtigen Bahnen lenken und mit seinen Pässen, aber auch mit seiner Spielintelligenz, für Überraschungsmomente sorgen kann.“
Ein fitter Ritter ist nicht ersetzbar
Was bleibt nun? In der Gesamtbetrachtung lässt sich festhalten, dass Ritter dem Spiel der Roten Teufel gut tut - vorausgesetzt er beschränkt sich darauf, was er richtig gut kann. Aber auch seine gesunde Aggressivität, durch die er zwar zu viele unnötige gelbe Karten kassiert, ist wichtig für die Mentalität auf dem Platz. Oder wie Dirk Schuster sagt: „Seine Drecksspatzigkeit“. Marlon Ritter hat, ähnlich wie der FCK, seinen Weg in Liga zwei gefunden und sorgt vor allem durch seine Offensivaktionen für Lichtblicke. Wer sich ärgert, dass der aktuell beste Zweitliga-Aufsteiger seit RB Leipzig nicht mit der Ligaspitze mithalten kann, der ärgert sich auch, dass Marlon Ritter beim FCK spielt - und nicht Xavi.
Quelle: Treffpunkt Betze
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