Diskussionsthema zum Artikel: Einfach, aber sexy
Einfach, aber sexy
Erneut drei Tore aus dem Spiel: Der 1. FC Kaiserslautern gewinnt schnörkellos gegen die früh dezimierten Fürther. Die Wiederentdeckung der Einfachheit scheint die Roten Teufel zu beflügeln.
Als Kind der 90er Jahre, das mit dem FCK als Deutscher Meister 1998 sozialisiert wurde, habe ich in den 2000ern eher selten ein Auge auf die zweite Liga geworfen. Daher sind mir nur wenige Stadionnamen dieser Spielklasse dauerhaft im Gedächtnis geblieben. Mit dabei ist auf jeden Fall die Heimstätte der Fürther, die für mich immer das „Playmobil-Stadion“ bleiben wird. Der Name ist nicht nur ikonisch, sondern steht auch metaphorisch für die Anmutung der nun als „Sportpark Ronhof | Thomas Sommer“ bezeichneten Arena.
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Dort traten die Lautrer am 5. Spieltag jedenfalls mit der klaren Zielsetzung an, die seit 218 Tagen andauernde punktetechnische Dürreperiode in der Fremde zu beenden. Dabei helfen sollten Faride Alidou und Naatan Skyttä, wodurch Mannschaftskapitän und Startelf-Abonnent Marlon Ritter auf die Bank rotieren musste. Eine Tatsache, die kurz nach dem Anpfiff bereits maximal noch eine Randnotiz war.
Rote Karte: Der Regelhüter als Regisseur
Mit Richard Hempel war der Schiedsrichter der Partie zwar kein alter Recke, mit 30 Spielen in der 2. Liga aber auch kein Anfänger. Dennoch – oder gerade deswegen – ist es ihm besonders hoch anzurechnen, dass er bereits nach weniger als 30 gespielten Sekunden in der ersten Hälfte hellwach und auf Ballhöhe den Fürther Innenverteidiger König nach einer Notbremse gegen Alidou mit einer roten Karte vom Feld stellte. Eine Entscheidung wie ein Paukenschlag, die dem Spiel direkt eine gewisse Richtung verpasste. Im weiteren Verlauf der ersten Halbzeit musste der Referee sieben seiner insgesamt acht gelben Karten verteilen, die allesamt vertretbar waren. Nachdem sich die Physiotherapeuten beider Teams im ersten Spielviertel mehr bewegt haben dürften als die Protagonisten auf dem Feld, schaffte es Hempel, das nach dem frühen Platzverweis sehr unruhig gewordene Spiel – natürlich auch dank der 1:0-Halbzeitführung der Lauterer, die Skyttä erzielte – zu stabilisieren.
Einfach kann auch sexy sein
Seit dem Wiederaufstieg in das Unterhaus diskutiert man in Kaiserslautern immer wieder über die Notwendigkeit einer spielerischen Weiterentwicklung. Der Geist von Dirk Schuster soll aus den Beinen und Köpfen der Spieler weichen, damit aus dem Motto „Hinten dicht und lang nach vorne“ eine Spielkultur mit mehr Anspruch entstehen kann. Die Ansätze von Markus Anfang machten zwar zeitweise viel Freude, schienen letztlich aber zu kompliziert und vielleicht auch zu verkopft für die Spieler, die dem ehemaligen Trainer zur Verfügung standen.
Lieberknechts Handschrift schimmert langsam, aber sicher durch die Auftritte der „Betzebuben“ und macht dabei immer mehr Lust auf mehr: Mit einem 5-2-1-2 mit Schienenspielern, Doppelspitze und klassischem Zehner startet er zwar keine taktische Revolution, zeigt aber, dass sich ein derart bieder anmutendes System durchaus attraktiv interpretieren lässt. Mit ausreichend Geduld bringen die Roten Teufel den Gegner im eigenen Ballbesitz aus seiner Raumdeckung und spielen in die sich ergebenden Räume. So fielen alle drei Tore der Pfälzer aus dem Spiel heraus nach Flanken – zweimal durch Joly und einmal durch Kleinhansl –, die dann in der Mitte von Skyttä und zweimal von Prtajin verarbeitet wurden. Einfach, schnörkellos und erfolgreich.
Eine kleine Transferbilanz
Neun der elf Spieler in der Lautrer Startelf gehörten in der vergangenen Saison nicht zum Stammpersonal. Nur Krahl und Sirch sind die Konstanten in einer ansonsten rundum erneuerten Mannschaft. In der Zentrale sorgten die neuen Kräfte Gyamfi, Kim, Sahin und Kunze dafür, dass der Pfälzer Torhüter sein Trikot nach dem Spiel quasi unbenutzt dem Zeugwart zur Aufbewahrung für das nächste Spiel übergeben konnte. Besonders lobend hervorzuheben ist Fabian Kunze, der aufgrund von Ritters Startplatz auf der Bank als Kapitän auflief. Er ist ein Spieler, der dorthin geht, wo es wehtut – ihm selbst, aber auch und besonders dem Gegenspieler.
Vor diesem Quartett machte auch Naatan Skyttä einen positiven Eindruck. Dies ist nicht nur auf sein Tor zum 1:0 zurückzuführen. Bis zu seiner Auswechslung kurz vor der Schlussviertelstunde war er eine wichtige Anspielstation und überall auf dem Feld zu finden. Er scheute keinen Zweikampf. Mit dem ordentlich in die Hosen gesteckten Trikot sieht er bei seiner überschaubaren Körpergröße außerdem nach einem Spielertyp aus, den man in der Pfalz gerne als „Fuddler” bezeichnet: einen Fußballer, der im Eins-gegen-Eins auch mal einen Gegner ausspielen kann.
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Paul Joly, der nach der schweren Verletzung von Simon Asta recht spontan verpflichtet wurde, zeigte auch in seinem zweiten Auftritt, dass er definitiv keine kopflose Verpflichtung aus der Not heraus war. Zwei Torbeteiligungen sprechen eindeutig für den jungen Franzosen, der auf den ersten Blick auch ein Lichtdouble von Max Verstappen sein könnte.
Die zweite Vorlage half Ivan Prtajin, seine seit April 2024 andauernde Torflaute endlich zu besiegen. Während er zuvor über 50 Spielminuten fast unsichtbar war, konnte man förmlich sehen, wie ihm seine beiden Treffer zu deutlich mehr Selbstvertrauen verhalfen. Wenn diese beiden Jungs in den nächsten Spielen an ihre Leistungen anknüpfen können, können sie den Anhängern der Lautrer in dieser Spielzeit noch viel Freude machen.
Eine Schraubstock-Umarmung zum geglückten Saisonstart
Nach dem erlösenden 2:0 für den FCK lenkte die TV-Regie die Aufmerksamkeit auf die Bank der Roten Teufel. Zu sehen war wenig überraschend der jubelnde Staff. Überraschender war jedoch die Vehemenz, mit der Sportdirektor Marcel Klos den Cheftrainer Torsten Lieberknecht in eine Umarmung zwang, aus der es kein Entrinnen zu geben schien. Auf den ersten Blick war es eine vor allem recht witzige Situation, die nicht unüblich ist, wenn Personen nicht so richtig mit ihren Emotionen umzugehen wissen. Betrachtet man diese Szene jedoch vor dem Hintergrund des bisher durchschnittlich verlaufenen Saisonstarts, des großen personellen Umbruchs mit dem einen oder anderen finanziellen Risiko und der Top-6-Zielsetzung von Thomas Hengen, so wirkt die Umarmung wie die Befreiung von einer zentnerschweren Last.
Torsten Lieberknecht und seine Mannschaft haben in den letzten Wochen also einige Blockaden gelöst und mit einfachem, aber erfolgreichem Fußball den richtigen Weg eingeschlagen. An dieses gute Gefühl sollte beim kommenden Heimspiel gegen Preußen Münster angeknüpft werden, um den Saisonstart weiter zu veredeln und den Anschluss an die Spitzengruppe zu halten.