Diskussionsthema zum Artikel: Michael Frontzeck: Trainer und Mensch
Michael Frontzeck: Trainer und Mensch
Michael Frontzeck ist nicht mehr Trainer des FCK. Doch wer stand da eigentlich an der Seitenlinie? Ein Blick zurück auf turbulente acht Monate. Ein Kommentar.
Es ist
passiert, was unausweichlich war. Nach der desaströsen 0:5 Blamage in
Unterhaching hat der 1.FC Kaiserslautern Michael Frontzeck entlassen. Dieser
sah sich schon lange vehementer Kritik gegenüber. Doch war wirklich alles so
schlecht? Und wer stand da eigentlich für genau acht Monate an der Seitenlinie? Werfen wir einen Blick auf den Menschen Michael Frontzeck, auf die Anfänge und das jähe Ende
der „Ära Frontzeck“.
Wir schreiben den 1. Februar 2018. Der 1. FC Kaiserslautern
liegt am Boden. Sportlich ohnehin. Der Abstieg in die Drittklassigkeit steht
unmittelbar bevor. Norbert Meier, mit dem der Verein in die Saison gegangen
war, ist längst entlassen. Und nun muss auch noch der von den Fans als
Heilsbringer gefeierte Jeff Strasser aus gesundheitlichen Gründen seinen Hut
nehmen. Der FCK steht also ohne Trainer da. Es soll schnell gehen, der Verein
hat keine Zeit zu verlieren.
Martin Bader,
selbst erst wenige Tage beim FCK als Vorstand Sport im Amt, installiert
kurzerhand seinen alten Bekannten Michael Frontzeck aus gemeinsamen Tagen bei
Hannover 96 als neuen FCK Coach. Erfahrung pur also. Sicher nicht das
schlechteste, stehen die Roten Teufel schließlich mit 12 Punkten aus 20 Spielen
abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz der 2. Liga. Zehn Punkte sind es zum
Relegationsplatz, den die Pfälzer mindestens erreichen müssten. Doch die
Begeisterung über den neuen Cheftrainer hält sich damals schon stark in
Grenzen. Von „Unglaublich“ bis „Da haben wir Stuttgart mit Korkut in der
Rangliste der schlechtesten Trainerverpflichtung noch getoppt“ war so ziemlich
alles zu lesen. Ich fand das etwas ungerecht, mir nötigte es zunächst einmal
Respekt ab, dass ein so gestandener Trainer, ganz gleich ob er in letzter Zeit
Erfolg hatte oder nicht, in dieser Situation zum Tabellenletzten der 2. Liga
wechselte. Wenngleich ich natürlich auch nicht frei von Zweifeln war, ob diese
„letzte Patrone“ wirklich zünden würde.
„Mit Michael Frontzeck können wir einen gestandenen
Trainer verpflichten, der über sehr viel Erfahrung verfügt, die 2. Liga kennt
und die nötige Ruhe und Souveränität hat, um die großen Herausforderungen mit
uns gemeinsam in kommenden Wochen anzugehen“, kommentierte Sportdirektor Boris
Notzon Frontzecks Wechsel zum FCK. Martin Bader betonte zudem, wie wichtig es
sei, in einer solch schwierigen Situation einen Trainer zu haben, dem man
vertraue und den man kenne.
Geglückter Start - Hoffen auf die Aufholjagd
Nur drei Tage später stand schon das erste Spiel an. Der FCK
musste nach Braunschweig, die damals noch von Torsten Lieberknecht trainiert,
sieben Punkte vor dem FCK standen. Die Hoffnung beim FCK Anhang war nicht
überschwänglich, doch die Roten Teufel überraschten, zeigten sich bissig,
kämpferisch wie selten und gewannen am Ende mit 2:1. Auf einmal war wieder ein
Fünkchen Hoffnung erkennbar und der Einstand von Michael Frontzeck war
geglückt.
Und es sollte noch besser kommen. Als der FCK fünf Tage
später Holstein Kiel, bis dato eine Spitzenmannschaft der 2.Liga, 3:1 schlug,
hallte auf dem Betze sogar zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder ein
„Oh wie ist das schön!“ durch das weite Rund des Fritz-Walter-Stadions. Zu
lange mussten die Fans vor allem zu Hause auf Erfolge warten. Und auf einmal
war auch der Relegationsplatz mit einem Rückstand von 5 Punkten erreichbar. Zum
ersten und nicht zum letzten Mal in dieser Saison dachte ich an 2008…
Doch der „Frontzeck-Effekt“ hielt nicht konstant an. Eine
Woche später wurde im Heimspiel gegen den SV Sandhausen einen sicher geglaubten
Big Point vergeben, doch wiederum nur fünf Tage später am Mittwochabend das so
wichtige Nachholspiel gegen Darmstadt 98 gewonnen, das wegen der Erkrankung
Jeff Strassers rund einen Monat vorher abgebrochen worden war. Ein Auf- und Ab
der Gefühle, ganz FCK-Like, schon damals.
So reisten die Roten Teufel mit nur noch drei Punkten
Rückstand zum nächsten Direktduell der Abstiegskandidaten nach Aue. Und dort
geschah, was dem 1. FC Kaiserslautern letzten Endes endgültig das Genick in
dieser Saison brach. Wie auch später in Fürth oder zu Hause gegen Dresden
verlor die Mannschaft dieses 6-Punkte Spiel und konnte den Rückstand auf einen
Nichtabstiegsplatz nicht final verkürzen oder egalisieren. Schon in diesen
Wochen zwischen Februar und April wurden wieder die Stimmen laut, die in
Michael Frontzeck und vor allem seiner fehlenden taktischen Flexibilität die
Hauptursache dafür sahen. Doch weil die Mannschaft sich danach immer wieder
einmal zurück kämpfte, man denke an die „Schneeballschlacht“ des 4:3 Heimsieges
gegen Union Berlin, blieben diese Rufe hör- beziehungsweise vor allem lesbar,
aber leise.
Verpasster Klassenerhalt, doch der Richtige für den Neubeginn - Oder?
Doch als der FCK am 30. Spieltag mit 2:3 in Bochum verlor und
sich neun Tage später zu Hause mit 0:1 auch gegen Dresden geschlagen geben
musste, war der Betze quasi abgestiegen und Frontzecks Mission gescheitert. Ein
2:3 in Bielefeld machte dies auch rechnerisch perfekt, die zwei Siege zu
Saisonende besserten seine Bilanz noch einmal etwas auf, ohne dabei aber einen
Wert zu besitzen.
15 Spiele, 7 Siege, 2 Unentschieden, 6 Niederlagen. 23 Punkte
also, so lautete Michael Frontzecks Bilanz am Ende der Saison. Und bei aller Kritik, 1,5 Punkte im Schnitt, für einen
Absteiger war das mehr als ordentlich. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass
dieser Punktschnitt natürlich auch deshalb so hoch war, weil die letzten beiden
Spiele zu Hause gegen Heidenheim und in Ingolstadt gewonnen wurden. Siege gegen
Gegner, für die es um nichts mehr ging. Auch muss man festhalten, dass die
zuvor entscheidenden Spiele gegen St. Pauli und Regensburg nicht gewonnen
werden konnten. Freud und Leid lagen also schon damals nah beieinander.
Jedoch: Vorgänger Jeff Strasser holte in 10 Spielen nur 10
Punkte. Auch das gehört zur Wahrheit. Und so fand ich es vertretbar mit Michael
Frontzeck in die neue Saison zu gehen. Ohnehin stand ein riesiger Umbruch
bevor, da war es ohne Zweifel eine Erleichterung nicht auch noch einen neuen
Trainer verpflichten zu müssen. Wäre eine Trennung bereits im Sommer
gerechtfertigt gewesen? Aus heutiger Sicht lässt sich darüber freilich
diskutieren. Fakt ist aber auch: Der Abstieg wurde wahrlich in der Hinrunde
unter Norbert Meier besiegelt, mit einer halbwegs vernünftigen Punkteausbeute
in der Hinrunde, hätte man die Klasse halten müssen.
Doch was zu Buche stand war nun einmal der Abstieg. Der erste
in die 3. Liga in der langen und glorreichen Geschichte des Pfälzer
Traditionsklubs. Michael Frontzeck hatte ohnehin wenig Kredit und so mehrten
sich die Stimmen, vor allem im Netz, die ihn lieber heute als morgen vom Berg
gejagt hätten. Doch der neue Sportvorstand Martin Bader und der Aufsichtsratsvorsitzende
Patrick Banf predigten Kontinuität und trauten Frontzeck zu, den Neuanfang in
Liga 3 zu gestalten.
Euphorie zu Beginn - Ernüchterung und schnelle Trainerdiskussionen
Und alles fing sehr vielversprechend an. Zum ersten Mal seit
Jahren hatte der FCK schon vor dem Trainingsauftakt fast den kompletten Kader
zusammen, obwohl der Umbruch mit 18 Neuzugängen und noch mehr Abgängen so groß
wie noch nie zuvor war. Ein Argument, dass die FCK Fans in den folgenden
Monaten noch oft zu hören bekommen sollten.
Dazu eine fast nicht erklärbare Euphorie im Umfeld, 1.500
Zuschauer beim ersten Training, über 40.000 Zuschauer beim ersten Spiel gegen
1860 München und: Ein 1:0 Auftaktsieg gegen die Löwen durch ein Tor kurz vor
Ende. Besser hätte es eigentlich nicht beginnen können.
Eigentlich. Denn es folgten ein 1:1 in Großaspach und
schließlich die in letzter Minute eingeläutete erste Saisonniederlage gegen
Preußen Münster. Kein Weltuntergang eigentlich, aber die
Anfangseuphorie, so gewaltig sie war, war verpufft. Und wieder war merklich
spürbar, dass der Trainer mehr oder weniger nur geduldet war. Die Bedenken
richteten sich in diesen Tagen nämlich weniger in Richtung der Qualität der
Mannschaft, sondern entluden sich vollends am Cheftrainer, erst recht, als die
Fans in Halle einen blutleeren Auftritt erleben mussten und chancenlos mit 0:2
verloren wurde. Nun stellten auch schon erste Medien die Trainerfrage.
An Michael Frontzeck ging dies offenbar nicht spurlos vorbei.
Er reagierte sehr dünnhäutig auf Kritik, insbesondere was Taktik und
Einstellung betraf. „Taktik gewinnt keine Spiele“, sagte er auf einer
Pressekonferenz nach dem Halle-Spiel. Ohne Zweifel lässt sich über diese
Aussage nicht nur streiten, sie ist schlichtweg falsch. Dazu war erstmals
offensichtlich, dass dem FCK ein klarer, auch mal flexibler Plan im eigenen
Spiel fehlte. Doch es war eben noch früh in der Saison und Frontzeck führte
abermals ins Feld, dass sich die Mannschaft sich
noch einspielen müsse und so ein Umbruch Zeit brauche. Das klang logisch, doch
die FCK Fans bekamen dies fast Mantra artig bis zuletzt als Antwort auf nahezu
jede Schwäche des Lautrer Spiels zu hören. Michael Frontzeck tat sich damit
insbesondere keinen Gefallen, da er im Sommer in einem Interview noch
versprach, dass „sie von mir nicht hören werden, dass wir noch Zeit brauchen“.
Das holte ihn nun brutal ein.
Der Mensch Frontzeck: Eine ehrliche Haut ohne Fortune
Doch auf eine gewisse Art und Weise konnte ich seine
Gereiztheit auch verstehen. Die Saison hatte gerade erst begonnen und innerhalb
weniger Tage und Wochen wurde er zum Idioten für alles erklärt, dem offenkundig
jede Fußballkompetenz fehlen sollte, der im Umgang mit Medien ungeschickt und
forsch wirke. Ich habe das freilich ganz anders erlebt. Der manchmal etwas
knorrig wirkende gebürtige Mönchengladbacher, er begann vor den offiziellen
Pressekonferenzen immer mit einem freundlichen „Grüße Euch“ in die Runde, war
durchaus zu Späßen aufgelegt und man nahm ihm ab, dass er wie er sagte den FCK
„wirklich mag“. Aussagen, er sei mit dem Herz und dem Kopf ausschließlich in
Gladbach, deswegen fahre er auch an spielfreien Tagen immer nach Hause, oder
gar er gebe deswegen so oft frei, empfand ich als hochgradig unfair.
Vor allem
zuletzt suchte man offenkundig händeringend nach Verhaltensweisen, um dem
Ansehen des Menschen Michael Frontzeck zu schaden. Kritik war angebracht, doch
reichte es nicht, sie an sportlichen Fakten festzumachen? Es gab doch davon
wahrlich genug. Ich habe ihn als eine ehrliche Haut kennen gelernt, der sicher
Fehler gemacht hat, dem am Ende aber auch das Fortune und vor allem die
Ergebnisse gefehlt haben, die man braucht, um bei einem Verein wie dem 1. FC
Kaiserslautern Erfolg haben zu können.
Kurzzeitig schien es so, als habe die Mannschaft unter
Frontzeck doch noch den Turnaround geschafft. Nach einer 1:6 Klatsche im Pokal
gegen Hoffenheim und einem mageren 0:0 gegen den KSC folgten immerhin acht
Spiele, aus denen der FCK vier gewann, drei Unentschieden holte und nur einmal
verlor. Dazu kamen die Unentschieden allesamt durch Gegentreffer in der
Nachspielzeit zu Stande. Und als die Pfälzer im Oktober den spielstarken
Aufsteiger aus Krefeld mit 2:0 besiegten und eine Woche später „dreckig“ beim
VfR Aalen gewannen, da dachte man wirklich,
der 1. FC Kaiserslautern habe sich gefunden, habe sich eingespielt. Unerklärlich wie dann ein recht mutloser Auftritt zu Hause
gegen Cottbus (0:2) zu Stande kam, der FCK hätte immerhin für eine Nacht auf
den Relegationsrang springen können. Und als die Mannschaft eine Woche später
1:4 in Rostock unterging, drei Gegentore fielen in der ersten Halbzeit
innerhalb von 15 Minuten, da brannte in Kaiserslautern wieder einmal der Baum.
Doch der vorläufige Tiefpunkt folgte zu Hause gegen Wehen
Wiesbaden. Das vielleicht schlechteste Heimspiel der letzten Jahre, ohne eigene
Chance bis zur 70. Minute, ein tristes 0:0, das durchaus glücklich war. Das
reichte, damit das Fass überlief. „Frontzeck raus!“, hörte man erstmals laut
und deutlich im Fritz-Walter-Stadion, Fans sprangen nach dem Abpfiff über den
Zaun an die Bande und stellten die Mannschaft zur Rede.
Das Ende - Kritik ja, aber bitte sachlich und menschlich
Nun war klar, in Unterhaching würde Michael Frontzeck ein
Endspiel haben. Und dieser stellte sich noch einmal demonstrativ vor seine
Mannschaft. „Ich werde diesen Kader bis zum letzten Tag bedingungslos verteidigen“, gab Frontzeck sich mittwochs noch kämpferisch. Eine starke
Aussage. Die Mannschaft ließ ihn erbärmlich im Stich. 0:5 hieß es freitags.
Kampf- und hilflos präsentierte sich die Elf, die von Frontzeck noch einmal
verändert wurde. Sie entschied an diesem Abend, ihren Trainer fallen zu lassen.
Die 1.800 FCK Fans sahen an diesem Freitag eine Mannschaft, die den Namen nicht
verdient hatte. Sinnbildlich der Anstoß nach dem 0:2, als ein FCK-Akteur mit
seinen Gedanken überall war nur nicht in Unterhaching und den Ball noch im Mittelkreis
abgenommen bekam. Beschämend!
Den Vereinsverantwortlichen blieb keine andere Wahl. Samstags
morgens war Michael Frontzeck Geschichte. Gescheitert zweifellos. An den
Ergebnissen, wohl auch an sich selbst. Er hat Fehler gemacht, ohne Frage. Und
doch, die Probleme des Vereins und der Mannschaft liegen tiefer, an ihm allein
kann es nicht gelegen haben. Was bleibt, so viel Stil sollte man haben, ist der
Respekt vor dem Menschen Frontzeck, der vor allem in den letzten zwei Wochen an
der ein oder anderen Stelle schwer zu Wünschen übrig ließ. Es gab, darüber
braucht man nicht zu diskutieren, Dinge, die kritisiert werden mussten. Sei es
die fehlende taktische Flexibilität oder manch fragwürdige Aufstellung. Doch
sollte sich ein jeder, der in den letzten Wochen Michael Frontzeck kritisiert
hat, hinterfragen, ob er dabei Maß und Mittel gewahrt hat.
Zweifelsohne hat das Umfeld des 1. FC Kaiserslautern eine
enorme Kraft, mit der viel möglich ist, ja manchmal Unmögliches möglich gemacht
wurde. Doch ist fast ebenso darauf Verlass, in schwierigen Zeiten etwas über
das Ziel hinauszuschießen. Persönliche Beleidigungen, Beschimpfungen, Häme oder
gar Anfeindungen, wie sie leider die letzten beiden Wochen, vor allem in
sozialen Netzwerken zu lesen waren, entsprechen wahrlich nicht den Werten des
1. FC Kaiserslautern. Allgemein wäre vielleicht öfter darauf zu achten, die
Werte Fritz-Walters, die man, wenn es gut läuft oft und gerne hochhält und sich
auf die Fahne schreibt, auch in schwereren Zeiten als Leitkultur des persönlichen
Umgangs zu pflegen. Das hat auch ein Michael Frontzeck verdient.
Ungewiss ist indes die Zukunft des 1. FC Kaiserslautern, der Verein
liegt jedenfalls wieder einmal am Boden.
Quelle: Treffpunkt Betze