Was hat man sich vor dem Spiel alles von den Mainzern anhören müssen. "Den scheiß Betze stürmen", den "unterdurchschnittlichen Drittligisten" mit einer zwei- bis dreistelligen Zahl von diesem Planeten jagen. Auch wenn man den "Einmarsch" der Ultras vor Spielbeginn auf der Osttribüne noch belächeln konnte, da das eher nach "Die Werkstatt hat heute Ausflug"-Tag aussah, spielten deren Mannen in den ersten 20-30 Minuten auf dem Platz die größere Rolle. Ich weiß nicht, ob die roten Teufel wirklich Angst hatten. Ich glaube vielmehr, dass sie es sich selbst bis zu diesem Zeitpunkt nicht zugetraut haben. Ein Knackpunkt, der uns gefühlt jeden Spieltag in den letzten X Jahren versaut hat und sich wahrscheinlich auch mit jedem Spieltag mehr in den Köpfen der Spieler und Zuschauer manifestiert hat. Und das war zu spüren, auf dem Platz und auf den Rängen. Sicherlich war es laut, auch wenn die Mainzer daran kaum Anteil hatten, und sicherlich hatten die Betze Buwe und Mäd auf den Rängen richtig Schaum vor dem Mund, aber ein Gefühl der Sicherheit, das gab es nicht und das gab es auch schon sehr lange nicht mehr auf Deutschlands höchstem Fußballberg. Zumindest nicht für die Heimmannschaft.
Aber mit jeder gespielten Minute ohne Gegentor kam der Stolz zurück. Der Mannschaft konnte man das erwachsende Selbstvertrauen förmlich ansehen. Der Ball war der beste Freund und jeder Mainzer ein H*, pardon, ein Feind, der den Ball nicht in die Finger bekommen sollte. Und auch auf den Rängen konnte man es spüren. Die Erleichterung nicht unterzugehen, wie gegen Hoffenheim, die Erleichterung tatsächlich eine Halbzeit durchgehalten zu haben und dabei nicht mit 12 Mann sowie Mannschaftsbus nicht einmal den anderen 16er gesehen zu haben. Die Männer in Rot und die Kurve waren wieder eine Einheit. Eine Einheit, die in den letzten Jahren stellenweise durch einen unüberwindbaren Graben getrennt schien. Eine Einheit, die dir das Gefühl gibt, dass du alles erreichen kannst, wenn nur ein Fünkchen Glück dazu kommt.
Dieses Fünkchen Glück haben wir dann auch bekommen. Eine Antwort von Fritz Walter auf die Schmähungen seitens der Mainzer Ultras? Der Geist von Zandi, der all die Jahre auf den einen Moment gewartet hat, um den Ball, für den Schiedsrichter deutlich erkennbar, hinter die Linie zu bringen? Wer weiß. Der, für mich unumstrittene, Elfmeter kullerte wie von Zauberhand hinter die Linie und der Berg explodierte. Man lag sich in den Armen, Bierduschen, fremde Hände überall. So wie früher eben, als alles noch "gut" war.
Danach verging die Zeit quälend langsam, denn jetzt hatte man etwas zu verlieren. Sicherheit? Immer noch kein greifbares Gefühl für die meisten Anhänger. Auch nicht als Pick die komplette Mainzer Defensive vernaschte und zum 2:0 einlochte. Immerhin gab es noch die Nachspielzeit, ein Zeitraum der uns doch so oft das Genick gebrochen hat. Als die Mainzer "Fans" das eigene Vereinsimage aufpolierten und Bengalos in Richtung ihrer eigenen Spieler warfen, da hoffte ich insgeheim auf einen Spielabbruch. Am grünen Tisch könnte uns keiner mehr diesen Sieg nehmen. Aber es wurde wieder angepfiffen, für ganze fünf Minuten. Quälend langsam verstrich die Zeit, vereinzelt wedelten Taschentücher im Wind. Stolz war ich, wie früher hat es sich angefühlt aber Sicherheit dieses Ding sauber daheim zu halten? Immer noch nicht. Erst als mein hastig eingestellter 5-Minuten-Timer auf dem Smartphone verbleibende 60 Sekunden anzeigte, da kam dieses Gefühl auf. Sieg, ein dreckig erkämpfter Sieg.
Und genau das ist der größte Gewinn für mich in diesem Spiel. Nicht die finanzielle Spritze durch das Erreichen der zweiten Runde, nicht die verbrannte Blockfahne der großmäuligen Mainzer oder die Genugtuung im Land ab und an die Nummer Eins sein zu können. Sondern das Wissen, dass wir einen Erstligisten schlagen können, dass dieses Team inklusive Trainer die Fähigkeit besitzt großes zu leisten. Und genau das haben wir am meisten gebraucht. Das sollten sich die Jungs immer wieder in Erinnerung rufen, wenn es in der harten dritten Liga stolprig wird, wenn der Gegner mauert oder uns ein vermeintlich kleiner Gegner zu überrennen droht. Wir können es schaffen, wir können es schaffen. Ein Mantra, welches lange verloren war.