Diskussionsthema zum Artikel: Kommunikationsmängel in der Kaderplanung?
Kommunikationsmängel in der Kaderplanung?
Im zweiten Teil unserer Zwischenbilanz steht die Kaderplanung im Fokus. Dabei fällt auf, dass nicht alle Entscheidungen zwischen Hengen und Antwerpen abgestimmt wirken. Die Auswirkungen für den FCK könnten gravierend sein.
Im ersten Teil unserer Zwischenbilanz stand die sportliche Entwicklung der Roten Teufel im Vordergrund. Nach dem verpatzten Saisonstart folgte zuletzt eine beeindruckende Serie von drei Siegen in Folge, die mit einer "besonderen Teambuildung-Maßnahme" im Südwestderby gegen Waldhof Mannheim begann. Der heutige zweite Teil dreht sich vor allem um die Kaderzusammenstellung, für die Geschäftsführer Sport Thomas Hengen verantwortlich ist. Trotz gelungener Verpflichtungen gibt es auch Anzeichen darauf, dass längst nicht alle Entscheidungen zwischen Thomas Hengen und FCK-Cheftrainer Marco Antwerpen abgestimmt wirken.
Es ist angenehm Thomas Hengen zuzuhören - und das nicht nur wegen seines ungewöhnlichen Pfälzer Dialektes mit rheinischem Einschlag. Vom verbalen Politikerstil seiner Vorgänger ist er genauso weit entfernt wie von fußballertypischen Satzbausteinen. In Interviews und Pressekonferenzen wirkt der Geschäftsführer Sport angenehm bodenständig. Neben dem Trainer ist er momentan der einzige Entscheider mit Fußballkompetenz im gesamten Verein. Umso wichtiger also, dass beide in ihrer Zusammenarbeit harmonieren. Anfangs wurden sie nicht müde, die vertrauensvolle Zusammenarbeit und enge Kommunikation zu betonen. Solche Bekundungen sind in den letzten Wochen allerdings zur Rarität geworden. In der Gesamtbetrachtung scheint es, als ob manche Entscheidung einem mangelnden Austausch zwischen Hengen und Antwerpen geschuldet sei.
Hammerkader oder unausgewogene Truppe?
Die guten Nachrichten wollten in der Sommerpause einfach nicht abreißen: Nach und nach gelang es Thomas Hengen die Leihgaben der vergangen Spielzeit fest zu verpflichten beziehungsweise abermals auszuleihen. Speziell Felix Götze und Jean Zimmer sind für einen Drittligisten geradezu sensationelle Transfers. Zudem wurde Daniel Hanslik von Holstein Kiel gekauft und Marvin Senger ein weiteres Mal vom FC St. Pauli ausgeliehen. Dazu kamen Kiprit, Klingenburg und Wunderlich. Das überwiegende Feedback in den FCK-Fanforen zu dieser Zeit: Was für einen Hammerkader hat Sportvorstand Hengen denn da zusammengestellt?
Als die Saison dann los ging offenbarte sich mehr und mehr, wie unausgewogen das Team dann doch ist: Das zentrale Mittelfeld und die rechte Seite sind phantastisch besetzt, dazu kommen zwei bärenstarke Torhüter. Die Besetzung auf der linken Seite ist hingegen sehr dünn. Zudem fehlt wie schon seit Jahren ein Abwehrchef beziehungsweise ein schneller Innenverteidiger. Auch einen „Wandspieler“ im Sturm sucht man nach dem Abgang Marvin Pouriés vergeblich. Kurz vor Ende der Transferperiode wurde dann noch einmal nachgebessert: Simon Stehle von Hannover 96 und Max Hippe vom Ligakonkurrenten Borussia Dortmund II kamen zum Betzenberg. Dass seitdem keiner der beiden bislang überhaupt eine Rolle beim FCK spielt, hat unterschiedliche Gründe. Hippe verletzte sich beim Aufwärmen vor dem Spiel in Magdeburg und fällt seitdem aus. Bei Stehle sind die Gründe vielschichtiger.
Die Causa Simon Stehle
Nachdem der FCK in den ersten beiden Saisonspielen torlos blieb, wurde Simon Stehle verpflichtet, „ein Mittelstürmer, der der Mannschaft sofort weiterhelfen kann“. Doch in seinen ersten drei möglichen Partien kam die Leihgabe aus Hannover auf exakt eine Spielminute. Zudem verwunderte Trainer Antwerpen mit der Aussage, „Stehle braucht noch Zeit“. Der Tiefpunkt ist für den 20-jährigen beim Heimspiel gegen Zwickau erreicht, in dem er in der 63. Spielminute ein- und in der 85. Spielminute wieder ausgewechselt wird. Zwar trug er hier eine Mitschuld am Zwickauer Gegentreffer, spielte aber auch nicht schlechter als seine Mitspieler. Es hatte den Anschein, als wollte Marco Antwerpen mit der Aktion ein Statement senden im Sinne von: „Ich wollte einen gestandenen Mittelstürmer und keinen 20-jährigen Rechtsaußen“. Die Situation ist für den Spieler natürlich bedauerlich. Nicht nur, dass seine Position mit Zimmer und Hercher bereits bestens besetzt ist. Sein Transfer scheint offenbar das Ergebnis nicht ausreichender Kommunikation zwischen Trainer und Sportdirektor. Leider nicht das einzige.
Die aussortierten Spieler bleiben
Schon in der vergangenen Spielzeit ließ sich erkennen, welche Spieler im Konzept von Trainer Antwerpen nicht mehr gefragt sind. Demzufolge war die Streichliste in der Sommerpause nicht gerade kurz: Für Marius Kleinsorge, Elias Huth, Alexander Winkler, Hikmet Ciftci, Mohamed Morabet, Lucas Röser und Marlon Ritter suchte der Verein neue Abnehmer. Letztlich gelang es Thomas Hengen keinen einzigen dieser Spieler zu transferieren. Lediglich bei Marlon Ritter, den Marco Antwerpen erfolgreich sportlich „wiederbelebte“ und Lucas Röser, dessen Kreuzbandriss einen Transfer verhinderte, ist dies sinnvoll zu begründen. Dennoch dürften die Gründe dafür vielfschichtig sein und gewiss nicht nur in der Verantwortung des Geschäftsführers liegen - beispielsweise dann, wenn ein Spieler mit gültigem Vertrag nicht gewillt ist, den Verein zu schlechteren Bezügen zu verlassen. Der einzige Akteur, der den Verein in der Sommerpause trotz gültigen Vertrages verließ, war Tim Rieder. Er wollte von sich aus zurück in seine Münchner Heimat und unterschrieb bei Türkgücü.
Mit den Transfers der restlichen „Ausgemusterten“ und den damit verbundenen Gehaltseinsparungen hätte der Verein zum Beispiel rechtzeitig einen Abwehrchef, einen Mittelstürmer oder einen Mann für die linke Außenbahn verpflichten können. Stattdessen ist der FCK-Kader nun 30 Mann stark. Und nach der Länderspielpause sollten bis auf die Langzeitverletzen dann auch wieder alle Profis zur Verfügung stehen. Das klingt wie ein Luxusproblem, ist jedoch schwerwiegender.
Keine Chance für junge Eigengewächse
Durch die aktuelle Kadergöße ist die Durchlässigkeit aus der U23 und der U19 in den Profibereich in dieser Saison faktisch nicht existent. Die beiden 19-jährigen Talente Maximilian Fesser und Moritz Theobald aus dem Lauterer Oberligateam sowie Tristan Zobel und Shawn Blum (beide 18 Jahre alt) aus der U19 kamen lediglich beim Benefizspiel gegen Mainz am vergangenen Samstag bei den Profis zum Einsatz. Wie will man die wenigen jungen Lauterer Talente längerfristig an den Verein binden, wenn man ihnen keine Einsatzzeiten im Profiteam gibt?
Der Trainer ist hier in der Zwickmühle, denn einerseits würde er Talente wie Neal Gibs und andere Nachwuchsspieler sicher gerne behutsam in das Team einbauen. Andererseits erwarten die Investoren von ihm, noch in dieser oder spätestens in der nächsten Saison mit der Mannschaft aufzusteigen. Somit hat der Cheftrainer weder Gelegenheit für Experimente noch für einen langsamen Aufbau der Talente. Er kann, er muss auf die erfahrenen Spieler setzen. So wie beim blamablen Pokalaus bei TuS Mechtersheim. Marco Antwerpen setzte ausschließlich Spieler aus dem Drittligakader ein – und wurde bitter enttäuscht. Hier wurde das Gefälle zwischen Leistungsträgern und Reservisten im FCK-Kader klar erkennbar, insbesondere bei Redondo, Huth, Stehle oder Winkler. Auch Kiprit, Senger und Niehues bringen zweifelsfrei Talent mit, sind aber noch ein gutes Stück davon entfernt, überdurchschnittliche Drittligaspieler zu sein.
Ohne Marco wärt ihr wohl nicht hier
Als Geschäftsführer Sport ist Thomas Hengen für die Zusammenstellung des Kaders verantwortlich – idealerweise mit Unterstützung des Trainers. Die meisten Transfers der aktuellen Saison geben einen Hinweis, wer den jeweiligen Spieler zum Betzenberg gelockt haben mag. Jean Zimmer unterschrieb in der Pfalz aus Verbundenheit zum Verein. Felix Götze hätte sich vom FC Augsburg sicher auch in die 2. Liga ausleihen lassen können. Er ist jedoch mit Hengens Unterstützung von Antwerpens Art Fußball spielen zu lassen inklusive seiner Rolle im Team überzeugt worden. Daniel Hanslik und Marvin Senger kannten das komplette FCK-Umfeld ebenfalls. Um diese vier höherklassigen Spieler in die 3. Liga zu locken, bedurfte es eines Trainers, dem sie vertrauen und den Investoren, die das nötige „Kleingeld“ für Ablösesummen und Gehälter bereitstellen. Hengen hat sich in den zum Teil wochenlangen Verhandlungen sicherlich hartnäckig gezeigt und die Transfers auch fixiert – auschlaggebende Faktoren waren womöglich aber der Trainer und die Saar-Pfalz Invest GmbH (SPI).
René Klingenburg und Mike Wunderlich, mittlerweile beides Leistungsträger im Team, folgten dem Ruf ihres Ex-Trainers aus Münsteraner und Kölner Zeiten zum FCK. Gerade beim 35-jährigen Wunderlich hätte wohl niemand damit gerechnet, dass er Viktoria Köln überhaupt noch einmal verlässt. Auch wenn bei einem Transfer eines Spielers zu einem neuen Verein mehrere Faktoren greifen müssen, so scheint es, dass wenn der Lauterer Coach nicht Marco Antwerpen hieße, sie wohl kaum beim FCK gelandet wären.
Hengens Fokus: Regionalliga West
Thomas Hengens Stationen als Scout lesen sich eindrucksvoll: FC Everton, Hamburger SV, West Ham United und PSV Eindhoven. Sein letzter Arbeitgeber vor der Rückkehr nach Kaiserslautern war der Regionalligist Alemannia Aachen, wo er von März 2020 bis Feburar 2021 als Sportdirektor fungierte. Das merkt man seinen Transfers auch sehr deutlich an: Julian Niehues kam von Borussia Mönchengladbach II, Max Hippe vom BvB II und Boris Tomiak von Fortuna Düsseldorf II. Sie alle spielten letzte Saison noch in der Regionalliga West, die der Geschäftsführer Sport offensichtlich bestens im Blick hat. Während Julian Niehues noch recht weit von der Stammformation entfernt ist, lässt sich die Verpflichtung von Boris Tomiak bislang als Volltreffer bezeichnen. Auf Max Hippe darf man ebenfalls gespannt sein.
Muhammed Kiprit war durch den unerwarteten Lizenzentzug Uerdingens erst kurz vor Saisonbeginn auf dem Markt. In seiner einzigen Drittligasaison erzielte der ehemalige türkische U21-Nationalspieler und frühere Deutsche Meister mit Herthas U19 gleich neun Treffer. Mit der ablösefreien Verpflichtung des 23-jährigen hat Thomas Hengen sicherlich alles richtig gemacht. Dennoch ist weder Kiprit noch Huth der Mittelstürmer, der dem FCK seit dem Weggang von Marvin Pourié fehlt. Mittlerweile teilen sich Hanslik und Klingenburg notgedrungen die Rolle des vordersten, ballsichernden Stürmers. Dies spricht allerdings eher für die taktische Flexibilität des Trainers als für eine perfekte Positionsbesetzung.
Als einziges Eigengewächs schaffte Neal Gibs diese Saison den Sprung aus der U19 in den Profikader. Er hat aktuell gegenüber Hendrick Zuck das Nachsehen, könnte aber durchaus ein Kandidat für die Zukunft sein. De facto stehen mit Gibs, Zuck und dem mitunter etwas orientierungslosen Redondo überhaupt nur drei klassische linke Außenbahnspieler im Lauterer Kader. Keiner von ihnen gehört zu den Leistungsträgern. Auch wenn Linksfüße generell rar gesät sind, fehlt es dem FCK-Team auf dieser Seite klar an Qualität.
Was für eine verpasste Chance!
Es war eigentlich nur ein völlig beiläufiger Halbsatz des Lauterer Torhüters Matheo Raab in einem Interview: „ ...mein Vertrag läuft noch bis der Ende der Saison“. Der laut Kicker notenbeste Torwart der 3. Liga kann den FCK am Ende der Saison Stand heute also ablösefrei verlassen. Von außen betrachtet stellt sich demnach die Frage, warum der Vertrag des damaligen Ersatzkeepers kurz vor Saisonstart und der Perspektive, neuer Stammtorhüter der Roten Teufel zu werden, nicht verlängert wurde. Welcher Nachwuchstorwart hätte es wohl abgelehnt, einen besser dotierten Vertrag zu unterzeichnen und gleichzeitig erstmals die Chance zu bekommen, Nummer 1 zu werden?
Der Weg des 22-jährigen dürfte nächste Saison sicherlich mindestens eine Liga nach oben führen – ob mit oder ohne FCK. Noch vor dem ersten Spieltag hätte Raab sicher keinen Grund gehabt einen neuen Vertrag abzulehnen. Aktuell hingegen hat er aus sportlicher und finanzieller Sicht keinen Grund am Betzenberg zu verlängern.
Fatale Folgen für den Verein
Die hier aufgeführten Beispiele für mögliche Kommunikationsmängel könnten vor dem Hintergrund der finanzielle Zwänge für den Verein eine echte Gefahr darstellen. Am 01. Januar 2022 öffnet das Winter-Transferfenster. Ein Stürmer und ein linker Außenbahnspieler dürften auf der Wunschliste des Trainers ganz oben stehen. Ob Max Hippe der Mann ist, der bisher in der Abwehr gefehlt hat und damit die offene Planstelle sinnvoll besetzen kann, wird sich bis dahin hoffentlich gezeigt haben. Thomas Hengen ist nun am Zug. Er muss durch Spielerabgänge finanziellen Freiraum schaffen, um Neuzugänge zu finanzieren. Idealerweise solche, die auch dem Suchprofil des Trainers entsprechen und der Mannschaft direkt weiterhelfen. Einen solchen Spieler hatte der FCK bereits in seinen Reihen. Er ist schnell, dribbelstark, torgefährlich und auf der linken Angriffsseite beheimatet. Eine Leihe bis Saisonende könnte durchaus im Bereich des Möglichen liegen.
Quelle: Treffpunkt Betze