ZitatAlles anzeigenAlptraum in der Hooligan-Zelle
Drei junge FCK-Fans aus Wörth geraten zufällig unter Hooligans und mit ihnen in den Polizeigewahrsam. Sie erleben das Saisonfinale der Fußball-Bundesliga in der Zelle und sind frustriert über den Umgang der Polizei mit jungen Menschen.
Von Thomas Fehr
Für den 1. FC Kaiserslautern endete die Saison traumhaft. Für drei Fußballfans aus Wörth endete sie mit einem Alptraum. Statt des Sieges ihrer Mannschaft gegen Werder Bremen erlebten die Brüder Jan und Oliver Willert und ihr Freund Michael Newill die Zellen der Kaiserslauterer Polizei. „Aufmerksame Beamte”, so heißt es in der Pressemitteilung zum Polizeieinsatz, „durchkreuzten den Plan von 29 sogenannten Lauterer Fußballanhängern” die „gewalttätige Konfrontation” mit Werder-Fans gesucht hätten.
Der Aufmerksamkeit der Beamten entging, dass drei junge Fußballfans in FCK-shirts, bunten Bermudas und Turnschuhen versehentlich in den Pulk der Hooligans gerieten. „Wir waren Richtung Tunnel zu Fuß unterwegs. Es gab Krawalle, wir wollten weg und plötzlich war die Polizei da”, erzählt Oliver Willert.
Damit beginnt für die Polizei die Routine, für die drei Wörther der Alptraum. Im nahe gelegenen Polizeipräsidium werden sie abgetastet, der Personalausweis wird einkassiert, Fotos gemacht. „Ein Grund, weshalb wir festgehalten werden, wurde uns nicht genannt”, so Oliver Willert. Und Kontakt zu einem Einsatzleiter zu bekommen sei ihnen verwehrt worden. Einzige Antwort sei ein Wink mit dem Knüppel gewesen.
Nach der Feststellung der Personalien geht es für die gesamte Gruppe in die Arrestzelle. Wertsachen, Gürtel, Schnürsenkel – alles abgeben. Und erneut keine Antwort auf die Frage „Warum?”. Die Antwort der Polizei lässt sich im Nachhinein aus der Pressemitteilung herauslesen: „’Wir haben entschieden durchgegriffen, um für die echten Fußballfans ein friedliches Fußballfest zu garantieren’, erklärte Einsatzleiter, Polizeidirektor Wolfgang Schäfer.” Für drei echte FCK-Fans aus Wörth klingt das wie Hohn und Spott.
„Wir haben am Anfang gedacht, die lassen uns ins Stadion wenn sie die Personalien festgestellt haben und merken, dass wir keine Hooligans sind”, erinnert sich der 21-jährige Oliver Willert an die Situation. So lange habe er auch noch Verständnis für den Einsatz gehabt und dafür, dass die Polizei zunächst einmal alle mitnimmt. Das Verständnis sei spätestens in der Zelle und nach vielen erfolglosen Versuchen, mit der Polizei zu reden, zu hilfloser Wut geworden.
Der 15-jährige Jan Willert kann nur nicken, bringt kein Wort heraus angesichts der Erinnerung an den Nachmittag in der Zelle. „Er hat dieses Erlebnis noch nicht verdaut”, sagt dazu Uwe Willert. Er ist der Vater von Oliver und Jan und hat seine Jungs nach deren verspäteter Rückkehr aus Kaiserslautern erst einmal selbst ins „Verhör” genommen.
Die Polizei hatte zuvor bei Willerts angerufen, als sie feststellte, dass Jan erst 15 ist. Sie könne ihren Sohn Jan bei der Polizei in Kaiserslautern abholen, wurde ihr am Telefon gesagt, erinnert sich Bettina Willert. Der andere, Oliver, bleibe in der Zelle. Ein Grund wurde ihr nicht genannt. „Ich konnte meinen Sohn aber nicht abholen, mein Mann war mit dem Auto weg”.
„Jan wurde wieder zu uns in die Zelle gebracht, weil er nicht abgeholt werden konnte”, erzählt Oliver Willert. Michael Newill sitzt still dabei, nickt zustimmend. Erst als die letzten Bremer Fans Kaiserslautern verlassen hatten, ließ die Polizei die gesamte Gruppe frei. Sechs Stunden lang 29 Leute in der Zelle. „Wir haben nichts zu trinken bekommen und wurden erst nach zwei oder drei Stunden aufs Klo gelassen.” Die meisten Klingelsignale der Eingesperrten seien ohne Reaktion geblieben. Stattdessen hätten Polizisten höhnisch mit Stadionverbot gedroht – die Höchststrafe für Dauerkarteninhaber.
Das abendliche Verhör im Hause Willert blieb nicht ohne Folgen. „Ich glaube meinen Söhnen”, ist Uwe Willert von ihrer Version der Geschichte überzeugt. Bei der Polizei in Wörth erstatten die Willerts deshalb noch am späten Abend des verhängnisvollen Spieltages Anzeige wegen Freiheitsberaubung gegen die Polizei in Kaiserslautern.
Dass diese Anzeige vorliegt, bestätigte der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern, Helmut Bleh. Weitere Auskünfte könne er zu dem Fall jetzt noch nicht geben, die Ermittlungen der Polizei seien noch nicht abgeschlossen. Unbeantwortet blieb die Frage, ob es, wie bei solchen Einsätzen üblich, Videoaufnahmen von der Festnahme der 29 Personen und der angeblichen Krawalle zuvor gibt.
Polizeisprecherin Christiane Lautenschläger sagte auf Anfrage, der Vorfall werde geprüft und die beteiligten Einsatzleiter und Beamten um Stellungnahmen gebeten. Weitere Auskünfte seien im Moment nicht möglich, verwies Lautenschläger auf laufende Ermittlungen.
„Ich möchte, dass das aufgeklärt wird”, macht Uwe Willert seinem Ärger Luft. „Ich habe meine Söhne zu Offenheit und Zivilcourage erzogen. Wie sollen die nach so einem Vorgang noch Vertrauen zur Polizei haben?” Für Erleichterung sorgten bei den jungen Willerts wenig später Briefe vom 1. FC Kaiserslautern. Darin ihr Vorkaufsrecht als Dauerkartenbesitzer für eine Dauerkarte der nächsten Saison. Zumindest das angedrohte Stadionverbot hat sich als Bluff erwiesen.
Quelle: Die Rheinpfalz