ZitatAlles anzeigenINTERVIEW: Stefan Kuntz (49) hat heute vor vier Jahren den Vorstandsvorsitz beim 1. FC Kaiserslautern übernommen. Der FCK stand auf einem Abstiegsplatz in Liga zwei. Kuntz steht für drei erfolgreiche Jahre. In der momentanen sportlichen Misere zeigt er sich sehr selbstkritisch. Von Horst Konzok & Oliver Sperk
Herr Kuntz, Sie sind jetzt als Vorstandsvorsitzender des 1. FC Kaiserslautern vier Jahre im Amt. Nach drei sehr erfolgreichen Jahren steht der FCK vor dem Abstieg. Was haben Sie falsch gemacht?
Im Gesamtverantwortungsbereich, leider vom Sport abgesehen, haben wir linear in allen anderen Bereichen eine deutlich aufsteigende Tendenz. Diese Zahlen werden wir nach der Lizenzierung durch die Deutsche Fußball-Liga auch öffentlich machen, auch um die finanzielle Situation des Vereins offenzulegen und Gerüchte zu widerlegen. Bei unseren derzeitigen Rahmenbedingungen ist ein Abstieg immer möglich. Fakt ist: Uns ist es nicht gelungen, unsere Abgänge adäquat zu ersetzen. Wir haben das in einem Rahmen von etwa drei Millionen Euro versucht, davon einen Großteil für Itay Shechter investiert. Damals hat sehr viel für die Verpflichtungen gesprochen, wie später auch für die von Sandro Wagner, zu der uns viele gratuliert haben. Im Nachhinein sieht vieles aber anders aus. Da muss auch ich mich hinterfragen. Zum Beispiel hätte ich im Sommer einen Sportdirektor einstellen müssen, weil ich durch die vielfältigen Gesamtaufgaben als Vorstandsvorsitzender nicht immer die Zeit hatte, die Gespräche und Beobachtungen mit der letzten Intensität zu führen. Das habe ich auch unterschätzt.
Sie haben gesagt, der FCK bewegt sich von seinem Potenzial her zwischen Platz 14 in der Ersten Liga und Platz 4 bis 5 in der Zweiten Liga ...
Ja, auch ein Nürnberg, auch ein Mainz ist abgestiegen und wieder aufgestiegen. Auch ein Frankfurt ist letztes Jahr abgestiegen und kommt jetzt wieder hoch. Das müssen solche Vereine, und wir erst recht, eben auch einkalkulieren. Wir haben es mit unserem engen finanziellen Rahmen im Sommer nicht geschafft, die Abgänge Srdjan Lakic, Ivo Ilicevic, Jan Moravek, Jimmy Hoffer und Adam Hlousek zu kompensieren. Da hinterfrage ich mich sehr kritisch, was die Neuzugänge angeht. Was hätte ich besser machen können, wie hätten wir die Spieler intensiver beobachten, begleiten können? Diese Spieler haben alle Verantwortlichen zusammen verpflichtet, das sind keine bloßen Kuntz-Transfers. Aber ich trage die Verantwortung für alle meine Mitarbeiter.
Sie haben Andreas Fehse als Scout eingestellt. Er hat beispielsweise den talentierten Fortounis empfohlen, auch Itay Shechter, den auch Hannover 96 wollte, aber auch Gil Vermouth, der null Bundesligaformat hat. Wie kann man sich so irren?
Wir haben Andreas Fehse und Danny Fuchs als Scouts eingestellt - auch da gilt: Wir müssen alle und alles hinterfragen. Als sich abzeichnete, dass Jan Moravek nicht zu halten ist, haben wir Ersatz auf seiner Position gesucht. Gil Vermouth war da auch ein Wunschspieler des Trainerteams. Alle Spieler wurden nach Absprache oder auf Wunsch des Trainerteams verpflichtet.
SELBSTKRITISCH - Dass in dieser Saison nicht alles rund gelaufen ist, weiß Stefan Kuntz, der aber aus Fehlern lernen will. (foto: kunz)
Herr Kuntz, hatten Sie bei all den Gerüchten, Vorwürfen der Vetternwirtschaft und Anfeindungen gegen Sie schon den Gedanken, alles hinzuwerfen beim FCK?
Wenn die Vorwürfe aus der feigen Anonymität heraus kommen, trifft mich das nicht besonders. Keiner, der mit solchen Vorwürfen gegen mich kommt, hat den FCK im Sinn. Es stecken immer eigene Interessen dahinter. Es muss jeder mit sich selbst ausmachen, ob sein Verhalten rein egoistisch motiviert ist oder nicht. Beispielsweise: Meine Schwägerin arbeitet in der Fanartikelabteilung. Sie hatte sich - wie andere auch - beworben, und für sie hat einzig ihre Qualifikation für diese Stelle gesprochen. Und wenn man jetzt die Verkaufszahlen des Shops sieht, dann spricht das auch im Nachhinein ganz klar für diese Personalentscheidung, die vom Aufsichtsrat mitgetragen wurde. Mein Bruder übrigens hat in den Zweitliga-Jahren, als Milan Sasic Trainer war, einige Male für uns gescoutet, aber nur für Spesen. Auch beim Thema Teammanager sehe ich keine seriöse Form der Kritik: Andere Vereine haben drei oder mehr Positionen um die Mannschaft herum, zuzüglich eines Sportdirektors und eines Vorstandsvorsitzenden - wir haben mit Marco Haber und Roger Lutz zwei Teammanager mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen.
Gab es Gedanken, beim FCK aufzuhören, zurückzutreten?
Wenn ich das jetzt machen würde, hätte ich im Moment ein Stück mehr Lebensqualität. Aber mir geht es um den FCK. Was würde in diesem Fall aus dem FCK? Ich sage das nicht mit Arroganz, aber mit gesundem Selbstbewusstsein: Wir haben hier in den vergangenen vier Jahren einiges geleistet. In dieser Saison ist sportlich einiges schiefgelaufen, da hinterfrage ich mich auch sehr kritisch. Aber in den anderen Bereichen, unter wirtschaftlichen Aspekten, auch zum Beispiel beim Ticketing, Merchandising oder bei den Sponsoreneinnahmen, ist die Entwicklung nach wie vor positiv, und wir haben die Strukturen des FCK auf nahezu allen Ebenen professionalisiert. Unsere Außendarstellung regional und national, als Club mit Ruhe, Kontinuität und Professionalität, hat sich extrem verbessert und die interne und externe Zusammenführung unseres damals zerrissenen Vereins hilft uns heute, schlechte Phasen wie die derzeitige sportliche Entwicklung gut durchzustehen. Wichtig ist mir noch, zu sagen: Ich lebe hier in der Region. Ich will auch in 15 Jahren noch in Kaiserslautern durch die Stadt gehen und von den Leuten freundlich gegrüßt werden. Deshalb will und werde ich nicht hinschmeißen.
Wie ist es um die Finanzen des 1. FCK bestellt?
Wir haben seit der Saison 2007/2008 allein die Einnahmen aus Hospitality und Vermarktung von 4,4 Millionen Euro über 7,9 Millionen Euro in der Zweitligasaison 2009/2010 auf jetzt 15,5 Millionen Euro gesteigert. Das Kioskmanagement haben wir - erstmals beim FCK - zu einem rentablen Geschäftszweig gemacht. Wir haben die Verbindlichkeiten deutlich abgebaut und die aus einer Betriebsprüfung resultierenden Forderungen in Form einer Steuernachforderung von 3,2 Millionen Euro verkraftet. Bei der finanziellen Gesundung des Vereins haben wir größere Fortschritte gemacht, als wir uns hätten vornehmen können. Ganz oft wird in einer schlechten sportlichen Situation wie unserer derzeitigen aus den Emotionen heraus das wirkliche Arbeitsergebnis nicht gesehen. Wenn man aber die Zahlen sieht, unser Arbeitsergebnis dieser vier Jahre, muss jeder zu dem Ergebnis kommen: Da ist schon viel Gutes passiert.
Welchen Etat hat der Verein mit den obligatorischen Lizenzierungsunterlagen für die Zweite Liga eingereicht?
Um endgültige Zahlen nennen zu können, müssen wir das Lizenzierungsverfahren abwarten. Aber ich gehe davon aus, dass sich der Lizenzspieler-Etat im Abstiegsfall wie in unserem letzten Zweitligajahr 2009/2010 zwischen 9,5 und 10 Millionen Euro bewegt.
Wie viele Jahre Zweite Liga verkraftet der Verein jetzt?
Wir würden, falls es jetzt schiefgeht, im ersten Jahr den sofortigen Wiederaufstieg anpeilen. Unsere finanzielle Belastbarkeit wäre im ersten Zweitliga-Jahr am höchsten. Sie würde aber mit jedem weiteren Zweitliga-Jahr abnehmen.
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau