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ABSTEIGER - Gestern gut gespielt und doch in Liga zwei: Olcay Sahan am Boden. (foto: kunz)
Nach 21 Spielen ohne Sieg gewinnt der 1. FC Kaiserslautern 2:1 bei Hertha BSC Berlin. Um 17.21 Uhr aber ist der dritte Abstieg der Roten Teufel aus der Bundesliga besiegelt. Hertha könnte folgen.
BERLIN. Trainer Krassimir Balakov hatte den Charaktertest für seine Rumpftruppe ausgerufen. Die Antwort der Mannschaft auf dem Platz gestern fiel eindeutig aus: Durch Tore von Oliver Kirch und Andrew Wooten bei einem Gegentreffer Peter Niemeyers beendete der FCK seine Horror-Erfolglosserie, gewann hoch verdient, aber viel zu knapp 2:1 (2:0) und riss Hertha BSC Berlin tief in den Abstiegssumpf. „Die Hoffnung stirbt zuletzt”, seufzte Hertha-Trainer Otto Rehhagel mit Blick auf den 17. Tabellenplatz seiner Mannschaft. Ein Abstiegsplatz!
„Er hat seine Qualität - vor dem Tor”, rühmt der neue FCK-Trainer Balakov das Talent des 22 Jahre alten Nachwuchsstürmers Andrew Wooten. Nachgewiesen hat er seine Begabung als Torgarant der zweiten Lauterer Mannschaft - in der viertklassigen Regionalliga. Gestern gab er sein Startelf-Debüt und warf die Fragen auf: Warum erst jetzt? Warum erst, als es zu spät war? Balakov dazu nach dem Spiel: „Was soll ich sagen - unsere Fans haben recht gehabt. Man muss unseren Fans auch zuhören.” Der Satz des Tages!
Wooten gefiel in der anspruchsvollen Ein-Mann-Sturm-Rolle. An der Pausenführung hatte er seinen Anteil. In der 27. Minute wühlte der junge Wormser im Strafraum der Hertha, den abgelegten Ball brachte der energiegeladene Olcay Sahan nach innen, Oliver Kirch setzte den Ball mit einem Drehschuss zum 1:0 ins Netz der Hertha. Wooten, der in der 30. Minute noch Mut zum Abschluss vermissen ließ, sorgte acht Minuten später für das 2:0. Erbeutet hatte den Ball an der Mittellinie im Duell mit Adrian Ramos der prima spielende Pierre De Wit, Konstantinos Fortounis bediente Wooten, der vollstreckte.
Das Tor gab Wooten Mut. In der 45. Minute scheiterte er mit einem strammen Distanzschuss am guten Torwart Kraft, in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit schoss er den Ball nach einem tollen Konter über Sahan und Alexander Bugera in den sonnigen Berliner Himmel. In der 84. Minute traf die Lauterer Stürmerhoffnung das Außennetz, wurde vier Minuten später von Sahan übersehen, der einen klasse Konter mit dem 3:1 hätte krönen müssen.
Der FCK trat im 4-1-4-1 an und weitgehend sehr geordnet auf, lud die Berliner durch schwere Fehlpässe und Ballverluste (Fortounis, Dick, Borysiuk) nur anfangs vor Sippels Tor ein. Der Schlussmann aber griff Peter Niemeyers Kopfball sicher ab (15.), durfte sich ansonsten aber lange auf sehr aufmerksame Vorderleute verlassen. Der starke Rodnei aber kam in der 60. Minute zu spät, Niemeyer verkürzte per Kopf nach Ebert-Ecke. Ronnys Kracher entschärfte Sippel (74.), dann sah Niemeyer nach rüdem Foul an Fortounis die Ampelkarte. Überzahl, dazu die Führung - dem FCK eröffneten sich die tollsten Konterchancen. So steuerte der wie aufgedreht wirkende Sahan in der 77. allein aufs Berliner Tor zu, scheiterte aber am starken Torhüter Kraft, dann vergab auch De Wit nach tollem Konter (78.).
So gut der FCK auftrat - so wie die junge Mannschaft mit den hoffnungsvollen Talenten Fortounis, Wooten und Borysiuk, mit dem stark verbesserten Sahan auch auftrat - bei diesem Chancenplus (11:5), bei diesen hundertprozentigen Möglichkeiten, hätte ein deutlicherer Sieg herausspringen müssen.
Hertha BSC Berlin: Kraft - Lell, Niemeyer, Bastians, Holland - Ottl - Torun (46. Ebert), Raffael, Rukavytsya (66. Ronny) - Ramos (46 Perdedaj), Lasogga
1. FC Kaiserslautern: Sippel - Dick, Abel Rodnei, Bugera - Borysiuk (90. + 2 Yahia) - Fortounis, Kirch, De Wit (82. Petsos), Sahan - Wooten (89. Wagner)
Tore: 0:1 Kirch (27.), 0:2 Wooten (38.), 1:2 Niemeyer (60.) - Gelbe Karten: Ebert (5/1) - Kirch (3), Borysiuk (2) - Gelb-Rote Karte: Niemeyer (78.) - Beste Spieler: Kraft - De Wit, Sahan, Bugera - Zuschauer: 51.461 - Schiedsrichter: Stark (Ergolding).
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Ein einprägsamer April-Nachmittag
Nicht nur Andrew Wooten, 22-jähriger Stürmer des 1. FC Kaiserslautern, wird noch lange an den gestrigen Tag zurückdenken. Für Wooten und seine FCK-Kollegen soll der Bundesliga-Abstieg ein Neubeginn sein.
VON OLIVER SPERK
Der dritte Abstieg des 1. FC Kaiserslautern aus der Fußball-Bundesliga nach 1996 und 2006 kam schleichend. Seit gestern, 17.21 Uhr, ist besiegelt, womit sich die meisten Fans der Roten Teufel in den vergangenen sieglosen Wochen nach und nach abgefunden haben: Ab dem ersten August-Wochenende geht es für den FCK nach Sandhausen und Braunschweig, nicht zu Borussia Dortmund oder zum FC Bayern München. Der Abgesang aber hatte kurioserweise durchaus fröhliche Untertöne, nachdem das Bundesliga-Schlusslicht gestern mit dem 2:1 (2:0) im Kellerduell bei Hertha BSC seinen ersten Sieg seit dem 22. Oktober eingefahren hat. „Ich sehe es mit einem lachenden und einem weinenden Auge”, meinte Andrew Wooten, der Schütze des 2:0 (38.), wenige Minuten nach dem Schlusspfiff im Berliner Olympiastadion, „es ist ein tolles Gefühl, dass wir seit längerer Zeit mal wieder gewonnen haben und dass ich mein erstes Bundesliga-Tor gemacht habe. Aber natürlich macht der Abstieg uns alle auch sehr traurig.”
Der 21. April 2012 wird dem Regionalliga-Torjäger, der zuvor viermal eingewechselt wurde und gestern sein erstes Bundesliga-Spiel von Anfang an machte, ewig im Gedächtnis bleiben. Geht es nach dem Willen des 22-Jährigen, ist dieses Datum zugleich ein Symbol für einen erfolgreichen Neuanfang. Der Deutsch-Amerikaner würde gerne bleiben, und kämpft um einen neuen Vertrag.
„Wir sind abgestiegen, und trotzdem waren so viele Fans dabei”, sagte Rechtsverteidiger Florian Dick mit Blick auf die 2500 FCK-Begleiter gestern, „aber immerhin haben wir endlich diesen verdammten Sieg geschafft.” Linksverteidiger Alexander Bugera meinte: „Den Klassenerhalt haben wir aber nicht heute verspielt, sondern in den vergangenen Wochen.” Der 33-Jährige, dessen Vertrag ausläuft, würde gerne bleiben und beim Wiederaufstieg mithelfen.
Andrew Wooten indes wird sich immer wieder an jenen 21. April 2012 erinnern, wenn er sich sein Trikot mit der Nummer 37 betrachtet: „Ich werde es mir zu Hause aufhängen.” Vergessen wird diesen kuriosen April-Nachmittag in der Berliner Frühlingssonne beim FCK niemand.
TORGEFAHREin FCK-Stürmer, der wieder gefährlich vor dem Tor auftaucht. Andrew Wooten scheitert an Torhüter Kraft. (foto: kunz)
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Entzaubert
Der FCK büßt die Fehler seiner Einkaufspolitik mit dem bitteren und unnötigen Abstieg.
Der dritte Abstieg in der Vereinsgeschichte des 1. FC Kaiserslautern ist besiegelt. Der 2:1 (2:0)-Sieg bei Hertha BSC kam zu spät! Nach 1996 und 2006 müssen die Roten Teufel zum dritten Mal den bitteren Gang in die Zweite Bundesliga antreten. Der Abstieg ist das Resultat einer gescheiterten Personalpolitik, die Vorstand, Trainer und Aufsichtsrat zu verantworten haben. Die fatale Abschlussschwäche hat dem FCK das Genick gebrochen. Auch gestern vergaben die Roten Teufel serienweise beste Einschussmöglichkeiten. Es ist eine Hypothese, aber vielleicht hätte Andrew Wooten, der Torjäger der Regionalliga-Mannschaft, geholfen, die Misere zu lindern. Aber Ex-Trainer Marco Kurz hatte wenig Vertrauen in die Qualitäten des 22-Jährigen, auch Krassimir Balakov zögerte zu lange, ehe er den früheren Wormser losließ.
Weniger Tore als die anderen erfolglosen Offensivleute hätte auch der talentierte Nachwuchsstürmer nicht schießen können. „Unsere Fans hatten recht”, sprach Trainer Balakov den Satz des Tages, als er Wootens gute Leistung würdigte, eingestand, dass die sportlich Verantwortlichen zu lange zögerten, anstatt auf den Torjäger aus der Zweiten zu setzen. Vereinschef Stefan Kuntz ist bestrebt, den jungen Mann für den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern dauerhaft zu gewinnen. „Sein Tor und seine Leistung sind gut für seine Verhandlungsposition, für mich ist es schwieriger geworden”, sagte Kuntz lächelnd. Die Mannschaft zeigte sich willig, sie bewies Charakter.
Hertha BSC kann den Abstieg zwar noch vermeiden, kommt aber aus den Untiefen der Tabelle nicht heraus. Es wird immer enger, zwei Spieltage vor Abpfiff. Das wirft die Frage auf, was die Verpflichtung des im Februar als Heilsbringer empfangenen Übungsleiters Otto Rehhagel gebracht hat. Seine schier unglaubliche Erfahrung haben sie gerühmt in Berlin. Doch den Erfahrungsschatz hat der Trainer offenkundig nicht mit seinen Spielern teilen können. Der FCK hat die Hertha gestern phasenweise schulbubenmäßig ausgekontert.
Rehhagel selbst ist mehr mit albernen Sprüchen aufgefallen von der Güte wie „Ich bin das Gesetz” als dass er Erfolge eingefahren hat. Leidenschaft hat er gefordert für das FCK-Spiel, dem - wie er sagte - „wichtigsten Spiel überhaupt”. Davon war zumindest in der ersten Halbzeit wenig zu sehen. Taktische Mängel, wie die großen Löcher im Berliner Mittelfeld, sind seit vielen Spieltagen zu beobachten. Von 27 möglichen Punkten hat die Mannschaft unter Rehhagel acht geholt. Mager. Rehhagel, der Magier? Wenn er jemals einer war, in Berlin hat er den Zauber jedenfalls nicht entfalten können.
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau