Diskussionsthema zum Artikel: Thomas Hengen: "Wir wollen nie zufrieden sein" (1/2)
Thomas Hengen: "Wir wollen nie zufrieden sein" (1/2)
Im Interview mit Treffpunkt Betze spricht Thomas Hengen über den bisherigen Saisonverlauf, die Kopfverletzungen von Felix Götze und die Zusammenarbeit mit Marco Antwerpen.
Den Betzenberg kennt Thomas Hengen nur all zu gut. Als aktiver Spieler war er in den Jahren 1992 bis 1996 und dann noch einmal zwischen 2001 und 2004 aktiv. Nach seiner aktiven Karriere war er zunächst als Scout beschäftigt - und das durchaus bei namhaften Vereinen wie den FC Everton, den Hamburger SV, West Ham United oder PSV Eindhoven. Zuletzt war der einstige Libero als Sportdirektor beim Regionalligisten Alemannia Aachen tätig. Seit dem 01. März ist der gebürtige Landauer als Geschäftsführer Sport für die Lizenzfußballmannschaft, die U21-Mannschaft des FCK sowie den sportlichen Bereich und die Weiterentwicklung des Nachwuchsleistungszentrums verantwortlich. Im Interview mit Treffpunkt Betze spricht der heute 47-jährige im ersten Teil über den bisherigen Saisonverlauf, die Verletzungen von Felix Götze und die Zusammenarbeit mit Marco Antwerpen.
Die wichtigste Frage zuerst: Felix Götze hat im Spiel gegen Duisburg eine Gehirnerschütterung erlitten. Wie geht es ihm den Umständen entsprechend?
Thomas Hengen: Den Umständen entsprechend geht es ihm gut. Als es passierte saß der Schock zunächst ziemlich tief, gerade aufgrund seiner Vorgeschichte. Die frühere Verletzung ist jedoch glücklicherweise verheilt, durch diesen Zusammenstoß ist nichts neues aufgebrochen. Wenn du in solch einer kurzen Zeit so viele Schläge abbekommst, dann kann das gesundheitsgefährdend sein, da sollte man nichts riskieren. Aber durch seine Vorgeschichte beschäftigt er sich selbst auch damit, sich künftig zu schützen und einen Kopfschutz zu tragen. Da gibt es ja viele Beispiele, bei denen das in der Praxis wunderbar funktioniert. Er ist auf dem Weg der Besserung, nimmt sich ein paar Tage eine Auszeit. Wir warten sehr gerne auf ihn, sodass er in einem fitten Zustand zurückkehrt. Das ist das Allerwichtigste.
Ein Haarriss im Schädel, ein weiterer Zusammenstoß im Benefizspiel gegen Mainz und nun diese Gehirnerschütterung. Können Sie mit Felix Götze in der Hinrunde überhaupt noch planen?
Thomas Hengen: Definitiv. Wann genau und an welchem Spieltag er wieder da sein wird, das wird sich natürlich zeigen. Bei höheren Belastungen kann sich eine solche Verletzung auch nochmal auf den Gesundheitszustand auswirken, das muss man einfach abwarten. Wir hoffen natürlich, dass er zeitnah zurückkommt, aber alles vor dem Hintergrund seiner Gesundheit. Die geht immer vor.
Inwieweit besteht die Gefahr, dass ein solch junger Spieler die Angst vor weiteren Verletzungen entwickelt und möglicherweise nicht mehr mit dem selben Selbstbewusstsein Zweikämpfe führt?
Thomas Hengen: Diese Gefahr sehe ich eigentlich nicht. Denn dann würde er gar nicht so in Zweikämpfe reingehen, wie er bisher reingegangen ist. All diese Vorfälle sind separat zu sehen. Gegen Mainz ist ein Gegenspieler auf ihn drauf gefallen, in Berlin war es ein Zusammenstoß mit einem eigenen Mitspieler und in Duisburg war es auch ein normales Kopfballduell. Das sind momentan einfach unglückliche Umstände. Aber genau deswegen macht es auch Sinn sich dahingehend zu schützen.
Hengen über seinen Alltag als Geschäftsführer: "Langweilig wird mir nicht"
Die Arbeitswoche eines Trainerteams oder einer Mannschaft lässt sich noch gut erahnen. Wie sieht Ihre Arbeitswoche außerhalb der Transferperioden aus?
Thomas Hengen: Wie bei vielen anderen Menschen auch beginnt ein Arbeitsalltag im Büro mit Telefonaten und Emails. Darüber hinaus gibt es einen Wochenplan mit verschiedenen Gesprächsterminen - mit Sponsoren, Spielern, Beratern und natürlich auch anderen Vereinen hinsichtlich von Transferplanungen. Es gibt regelmäßige Meetings mit der Scouting- oder Jugendabteilung und den verschiedenen Leistungsbereichen im Nachwuchsleistungszentrum, mit Vereinsmitarbeitern oder dem Trainerteam. In der Corona-Zeit gab es zudem täglich organisatorische Absprachen. Es gibt verschiedene Abteilungen, mit denen man sich regelmäßig updatet, dazu kommen Vor- und Nachbesprechungen zu den Spieltagen. An den Wochenenden sehe ich auch mal Spiele der U-Mannschaften, Gegner- und Spielerbeobachtung kommen dazu. Ich kann versichern, mir wird nicht langweilig. Und diesen Job mit einer Familie zu vereinbaren, das ist auch nicht immer einfach.
Sowohl die Verpflichtungen als auch die Vorbereitung in der Sommerpause schienen vielversprechend. Bis zum Spiel gegen Mannheim holte die Mannschaft in sieben Spielen jedoch nur fünf Punkte. Sie zeigte sich in Zweikämpfen nicht entschlossen genug, in der Offensive strahlte sie kaum Torgefahr aus und bei Rückständen verlor sie jedwede Spannung. Wie würden Sie beschreiben, was vor der aktuellen Serie gefehlt hat?
Thomas Hengen: Ich kann diese Analyse so nicht bestätigen. Das erste Heimspiel gegen Braunschweig war ein extrem intensives Spiel. Verliert man 0:1, dann war man schlecht - gewinnt man mit 1:0, dann war man überragend. Braunschweig ist mit einer hohen Körperlichkeit aufgetreten, gegen die wir uns gut gewehrt und in der Defensive gegen zwei Mittelstürmer kaum etwas zugelassen haben. Vielleicht waren durch die guten Ergebnisse in der Vorbereitung die Erwartungen auch schon gestiegen. Mit Ausnahme des Spiels in Berlin, welches einem Aussetzer in die falsche Richtung entsprach, war die Mannschaft in den anderen Partien so da, wie wir uns das vorgestellt haben. Es gibt in unserem Umfeld noch immer den Anspruch, dass wir nicht hierhin gehören. Wir für uns haben das allerdings immer wieder betont, dass man in dieser Liga ankommen und sie mit Demut angehen muss. Wir sehen es Woche für Woche, jeder kann jeden anderen Gegner schlagen. Du musst also immer deine 100% bringen, um Punkte einzufahren - egal wie der Gegner heißt oder wo er in der Tabelle steht.
Hengens und Antwerpens Message: "Kein Weg darf zu weit sein"
Marco Antwerpen sprach in diesem Zusammenhang vor einigen Wochen auch davon, dass „Strukturen aufgebrochen werden müssten“. Was genau meinte er damit und inwiefern ist es gelungen, dies umzusetzen?
Thomas Hengen: Marco ist im Februar zum FCK gekommen, ich im März. Andere Vereine hatten eine längere Vorlaufzeit, um die kommende Saison zu planen. Wir waren erst eine Woche vor Saisonabschluss gerettet und konnten dann erst die richtige Planung vorantreiben. Vorher mussten wir zweigleisig planen und das ist verbunden mit zahlreichen Wenn und Aber. Dann ging es für uns darum, neue Denkweisen anzustoßen und bestehende Strukturen zu verändern. Wir wollen nie zufrieden sein, kein Weg darf zu weit sein. Dementsprechend mussten wir unsere eigenen Ansprüche untermauern, und zwar nicht nur durch Bekundungen, sondern vor allem auf dem Platz. Das hat beispielsweise das Spiel gegen Havelse gezeigt, dass eine 3:0 Führung nicht reicht, wenn du das Gefühl hast, mehr geben zu wollen. Warum soll man dann das Tempo rausnehmen? Das ist unsere Message. Gleichzeitig muss man mit einem Punkt wie im Spiel gegen Duisburg auch zufrieden sein und eben nicht auswärts ins offene Messer laufen. Auch das ist eine wichtige Denkweise. Eine Spitzenmannschaft sind wir noch nicht. Solche Prozesse müssen wachsen und dafür müssen Strukturen aufgebrochen werden.
Das Derby gegen Mannheim brachte bekanntlich den oft zitierten Turnaround. Von außen betrachtet lässt sich sagen: “Klar, mit 9 Mann hat sich die Mannschaft als Ganzes gegen die Niederlage gestemmt - das schweißt halt zusammen”. Was hat sich aber aus Ihrer Perspektive nach diesem Spiel grundlegend verändert?
Thomas Hengen: In erster Linie sind die Spieler ja Menschen und sie sind nicht vor äußeren Einflüssen geschützt. Das ist heutzutage immens anders als früher. Zu meiner Zeit hattest du ein, zwei Zeitungen und einige wenige Fernsehsender, heute haben wir mit social media eine ganz andere Bandbreite. Und das prallt von den Spielern natürlich nicht ab, wenn du hörst, wie schlecht du bist. Und häufig wird nur noch zwischen schwarz und weiß unterschieden. Im umgekehrten Fall ist es jedoch auch wichtig, dass niemand abhebt, wenn er hört, wie gut er ist. Das Waldhof-Spiel hat sicherlich gezeigt, dass wenn man zusammen fightet, auch in Unterzahl zu null spielen kann. Diese Bereitschaft zu mehr hat sich dann selbst bei der Mannschaft entwickelt. Hinzu kommt, dass mit der Systemumstellung auf die 3er Kette, die wir ja auch in der Rückrunde erfolgreich praktiziert haben, die Jungs wieder mehr Sicherheit bekommen haben. Das passt im Moment in unsere Kaderstruktur - auch wenn dies nicht heißen soll, dass wir nicht wieder auf eine 4er Kette oder ein anderes System umsteigen werden. Das muss man teilweise schon alleine aufgrund von Verletzungen oder Sperren. Beides, also die Systemumstellung und das Spiel gegen Mannheim, haben der Mannschaft das nötige Selbstvertrauen und die nötige Stabilität gegeben.
Heimspiele auf dem Betzenberg: "Da musst du offensiv was anbieten"
Mit Marco Antwerpen arbeiten Sie seit März diesen Jahres zusammen. Wie steht es um Ihre beidseitige und grundsätzliche Philosophie von Fußball, wenn es bspw. darum geht einen Kader zusammenzustellen oder eine Mannschaft fortlaufend zu entwickeln? Wo gibt es Übereinstimmungen, wo kontroverse Standpunkte, die auch bereichernd und ergänzend sein können?
Thomas Hengen: Wir haben immer Diskussionsstoff untereinander und es ist auch gut so, dass wir nicht nur gleich ticken, andernfalls könnten wir uns nicht ergänzen. Aus meiner Sicht haben wir viele Dinge, beispielsweise in den Bereichen Athletik und Trainerteam, richtig vorangetrieben und haben da inzwischen eine gute Mischung. Wir sind beide von der älteren Generation und was den Fußball besonders auf dem Betzenberg betrifft, denken wir in die gleiche Richtung. Du kannst hier nicht abwartend spielen, sondern musst offensiv was anbieten. Genauso wichtig ist es so gut es geht die Jugend einzubinden - das ist der Spagat, den ein Trainer zu führen hat. Einerseits muss er Punkte holen und erfolgreich spielen, andererseits muss er junge Spieler entwickeln. Und diese Zeit bekommt man häufig nicht, wenn die Ergebnisse nicht stimmen.
Der Umgang mit Coronaschutz-Maßnahmen ist für einen Fußballverein alles andere als trivial. Als Arbeitgeber darf man seine Mitarbeiter weder zu einer Corona-Impfung drängen, noch sind diese zu einer Auskunft über Ihren Impfstatus verpflichtet. Wie versuchen Sie dennoch sicher zu stellen, dass nicht plötzlich mehrere Spieler mit Infektionen ausfallen?
Thomas Hengen: Wir befinden uns ja erst einmal in einer Blase - besonders mit dem Hygienekonzept des DFB, welches wir gewissenhaft umsetzen. Zudem werden täglich Schnelltests gemacht. Auch wir hatten bereits Corona-Fälle, die wir glücklicherweise schnell isolieren konnten. Aber es gibt keine Impfpflicht, wir können nur darauf hinweisen und am Ende ist es jedem Spieler selbst überlassen. Unsere Spieler gehen sehr gewissenhaft mit der Situation und möglichen Symptomen um. Durch das gute Hygienekonzept konnten wir größere Verbreitungen verhindern.
Im zweiten Teil spricht Thomas Hengen über den von ihm zusammengestellten Profikader und mögliche Transferplanungen in der bevorstehenden Winterpause. Dieser erscheint am morgigen Mittwoch um 12 Uhr.
Anmerkung der Redaktion: Das Interview wurde bereits vor dem Heimspiel gegen Würzburg geführt.
Quelle: Treffpunkt Betze
Interview: Michael, Armin