Diskussionsthema zum Artikel: Anfang muss die Systemfrage stellen
Anfang muss die Systemfrage stellen
Die Leistung des 1. FC Kaiserslautern in Hannover war trotz mutiger Taktik wohl die schwächste der jüngeren Zweitliga-Geschichte. Beim FCK müssen die Alarmglocken schrillen.
Beim Blick auf die Startaufstellung dürfte Freunden des gepflegten Offensivfußballs zunächst das Herz aufgegangen sein. Im von Trainer Anfang favorisierten 4-3-3-System bildeten Philipp Klement, Daniel Hanslik und der etwas tiefer stehende Boris Tomiak das zentrale Mittelfeld, vor ihnen feierte Daisuke Yokota neben Aaron Opoku und Torjäger Ragnar Ache sein Debüt. Gleichzeitig drängte sich die Frage auf, ob mit dieser geballten Offensivpower das Problem der engen Manndeckung gegen die spielstarken Hannoveraner gelöst werden kann. Die Antwort: Nein.
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Schon nach einer Minute hätte es fast geklingelt, als Jessic Ngankam aus kurzer Distanz nur knapp verfehlte. Von da an rollte ein Angriff der Roten nach dem anderen auf Julian Krahl zu, die frühe Führung der Hausherren war die logische Folge. Entlastungsangriffe suchte man im ersten Durchgang nahezu vergeblich. Nach einer halben Stunde hatte der 1. FC Kaiserslautern nicht nur weniger Ballbesitz als die Niedersachsen, auch die Passquote von nur 69 Prozent machte deutlich, warum lediglich ein einziger gefährlicher Angriff zustande kam. Auf diesen musste der lautstarke FCK-Anhang allerdings fast 40 Minuten warten.
Offensive wirkungslos, Zentrum nicht dicht, Ache (hängt) in der Luft
Desaströs zeigten sich die Gäste in der Rückwärtsbewegung. Wie schon bei der Heimniederlage gegen Hertha, als sich die Männer in Rot vier Gegentore kassierten, marschierten die 96er in der ersten Halbzeit ein ums andere Mal durchs Zentrum bis in den Sechzehner. Dass die Anfang-Elf zur Halbzeit „nur“ mit einem Tor zurücklag, hatte sie einzig und allein der Unzulänglichkeit der Gastgeber und einem starken Julian Krahl zu verdanken. Der ärmste Teufel: Ragnar Ache, der nach seiner Verletzung erstmals wieder in der Startelf stand. Erst in der 39. Minute trat er zum ersten Mal in Erscheinung, als er die besagte Torchance hatte. Ansonsten hing der Torjäger meist in der Luft, ackerte viel, bekam jedoch wenig Zuspiele. So lassen sich dann auch keine Tore erzielen.
Defensiv erwischte freilich nicht nur das Mittelfeldzentrum einen rabenschwarzen Tag. Auch die Innenverteidigung um Jannis Heuer und Startelf-Rückkehrer Jan Elvedi verlor viele entscheidende Zweikämpfe. Elvedi wirkte dabei noch etwas souveräner, wenn auch nicht fehlerfrei. Almamy Touré als Rechtsverteidiger ist mehr eine Not- als eine Ideallösung. Und Erik Wekesser auf der linken Seite fiel eher durch sein Meckern auf, das ihm früh eine gelbe Karte einbrachte. Schon gegen Fürth und Berlin ließ er einige Angriffe über die linke Seite zu, die zu Gegentoren führten.
Es fehlen Optionen – oder sie werden nicht genutzt
Mit Kapitän Marlon Ritter fehlte zwar ein wichtiger Akteur verletzungsbedingt. Doch die Achillesferse bleibt die Defensive. Wenn alle paar Minuten Angriffe auf Krahls Kasten zurollen, lassen sich nur schwer Entlastungsangriffe starten. Boris Tomiak fehlt in der Abwehr, die Sechs ist nicht seine Position. Der FCK betont zwar, auf dieser Position genügend Alternativen zu haben, nutzt diese gegen Hannover aber nicht. Filip Kaloc, zumindest eine defensivere Alternative zu Klement oder Stürmer Hanslik, saß die erste Stunde der Partie auf der Bank. Das hochgelobte Talent Leon Robinson schaffte es gar nicht erst in den Kader. Und für Afeez Aremu scheint in Anfangs System kein Platz zu sein. Verstärkung im Winter ist dringend angesagt, die Probleme auf dieser Position existieren schließlich schon seit Kaiserslauterns Rückkehr in die 2. Bundesliga.
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Und doch kamen die Pfälzer zurück ins Spiel. Die Art und Weise allerdings war sinnbildlich. Wieder war es ein Standard - in bisher jedem Spiel der noch jungen Saison trafen die Lautrer auf diese Art. Und natürlich vollstreckte Ragnar Ache, nachdem Elvedis wuchtiger Kopfball zunächst noch von Ron-Robert Zieler an die Latte gelenkt worden war. Der FCK mit oder ohne Ache, das sind zwei verschiedene Mannschaften. Schon den Sieg in Münster hatten die Pfälzer vor allem Aches Einzelleistung zu verdanken. Nicht auszudenken, wenn der 26-Jährige einmal verletzungsfrei bliebe. Doch von einer völlig fitten Verfassung ist der Stürmer scheinbar noch entfernt. Denn nur zwölf Minuten nach seinem Ausgleichstreffer musste Ache ausgewechselt werden. Und kaum war er vom Platz, nahm das Unheil auch schon seinen Lauf. Diesmal traf Hannover nach einer Ecke - der mehr als unglückliche Jannis Heuer bugsierte den Ball ins eigene Tor. Nur 17 Minuten nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich.
Der 1. FC Standard Ache ist stark – doch darüberhinaus gelingt nicht viel
Nach fünf Spielen hat sich der zunächst starke Saisonstart der Lautrer relativiert. Es ist sicher zu früh, alles schlecht zu reden. Hannover gehört zu den stärkeren Gegnern in einer verdammt starken 2. Liga. Aber der Blick in der Tabelle muss jetzt nach unten gehen. Trainer Anfang ist also schon früh in der Saison gefordert. Gelingt es ihm, sein System anzupassen? Es bei allem nachvollziehbaren Siegeswillen weniger anfällig für Gegentore zu machen? 10 Gegentreffer in fünf Begegnungen, also im Schnitt zwei pro Partie, sind viel zu viel. Der spielerische Ansatz ist löblich, passt aber (noch) nicht zum aktuellen Kader. Hurra-Fußball mag auf dem Betze gut ankommen, aber nur, wenn er auch Punkte liefert.
Und schließlich muss der Cheftrainer die Spieler weiterentwickeln, die bislang nicht richtig Fuß gefasst haben. Anfang selbst hat nach der Niederlage in Hannover eine grundlegende Aufarbeitung auf allen Ebenen angekündigt. Diese ist auch bitter nötig und davon wird viel abhängen. Gelingt eine sorgenfreie Saison oder droht eine Zitterpartie wie im vergangenen Jahr? Die Weichen dafür werden jetzt gestellt. Und nicht zuletzt wird es auch darüber entscheiden, wie lange Anfang in Ruhe arbeiten kann. Denn Ruhe, das ist wahrlich kein Geheimnis, ist am Betzenberg ein rares Gut.