ZitatAlles anzeigenInterview: Stefan Kuntz, seit 8. April 2008 Vorstandsvorsitzender des 1. FC Kaiserslautern, fordert von den FCK-Profis hundertprozentige Konzentration, um zumindest den Relegationsplatz zu erreichen. Die Suche nach Verstärkungen läuft. Von Horst Konzok
Herr Kuntz, wenn die Tabellen der Fußball-Bundesligen so bleiben würden, hieße es in der Relegation Hoffenheim gegen Lautern. Hoffenheim dazu mit Ihrem früheren Trainer Marco Kurz. Realistisch betrachtet ist diese Konstellation gar nicht so unmöglich. Was denken Sie?
Das ist für mich zum jetzigen Zeitpunkt viel zu weit weg. Außerdem habe ich im Fußball schon so viel erlebt, wenn man drei Spiele in Folge gewinnt oder verliert … Man kann schnell neun Punkte gutmachen. Von daher machen wir uns erst darüber Gedanken, wenn es so weit ist.
Drei Niederlagen in Folge, dazu das enttäuschende 1:1 gegen Jahn Regensburg – das schlägt sich für den FCK in zwölf Punkten Rückstand auf Eintracht Braunschweig und zehn Zählern Rückstand auf Hertha BSC in der Tabelle nieder. Wie groß ist Ihre Enttäuschung über den Rückschlag?
Wenn die Niederlagen über die 19 Spiele verteilt gewesen wären, wäre es nicht so schlimm wie jetzt bei mit drei Niederlagen in Folge. Bei so vielen erfahrenen Kräften in der Mannschaft habe ich nicht damit gerechnet, dass wir drei Spiele hintereinander verlieren könnten. Ich hatte – auch nach den Erfahrungen, die einige unserer Spieler in der letzten Saison gemacht haben – die Erwartung, dass Teamgeist, Laufbereitschaft, unbedingter Drang, schnell wieder in der Bundesliga spielen zu wollen, der Wille über den inneren Schweinhund zu gehen, stärker wären. Jeder hat erzählt, dass er aufsteigen will. Es wurde zu viel geredet, und die Leistung auf dem Platz hat nicht immer gestimmt. Zwischen Reden und Handeln war eine zu große Diskrepanz. Aber um dieses Ziel zu erreichen, muss jeder in jedem Spiel versuchen, seine Leistung zu 100 Prozent abzurufen.
Wie sehen Sie die Zuschauerentwicklung bei den Heimspielen im Fritz-Walter-Stadion?
Wir haben zwar durch Franco Foda und die guten Ergebnisse, auch durch die Art und Weise, wie die Mannschaft und einige unserer Neuen zunächst gespielt haben, relativ schnell einen Stimmungsumschwung erzielt. Die Stimmung ist allerdings längst noch nicht so euphorisch wie in unserer Aufstiegssaison 2009/10, als wir 36.000 Zuschauer im Schnitt hatten. Wir versuchen natürlich weiter – auch wegen der Fernsehgelder – oben dabei zu bleiben und mit Leistung die Zuschauer zu begeistern.
Zufall oder nicht: Seit Beginn der „Aktion 12.12“, dem kollektiven Schweigen der Fans, ist der FCK im Tief. Viele Ihrer Spieler waren irritiert. Die Aktion hat dem FCK nicht gut getan, auch zuletzt gegen Aalen herrschte eine merkwürdige Atmosphäre, ganz bestimmt keine Betze-Stimmung. Wie haben Sie das empfunden?
Bezüglich der Wirkung teile ich Ihre Meinung. Grundsätzlich setze ich auf individuelle Lösungen. Mich interessieren in diesem Zusammenhang andere Vereine nicht, es geht mir nur darum, dass wir beim FCK nur mit Betzenberg-Stimmung und Zusammenhalt zwischen Zuschauern und Mannschaft überhaupt eine Chance haben, unser gemeinsames Ziel zu erreichen. Wir haben einen regen Austausch mit unseren Fans und wir versuchen, Anfang Januar eine Fan-Veranstaltung zu organisieren, um alle Fragen mit unseren Fans noch einmal zu diskutieren. Wir sind meiner Meinung nach vorbildlich, was den Austausch mit den Fans angeht. Man muss anhand der letzten Entwicklungen festhalten: Wenn es so weitergehen würde, verliert nur einer: Das ist der 1. FC Kaiserslautern.
Was macht Hertha BSC und Eintracht Braunschweig so stark?
Hertha BSC ist von der Qualität des Kaders deutlich besser besetzt als wir und in wesentlichen Teilen schon länger in dieser Besetzung zusammen. Wenn man das vergleicht, dann ist bei uns die Achse mit Sippel, Torrejón, Baumjohann und Idrissou eben noch neu zusammengesetzt. Das merkt man. Braunschweig lebt noch mehr von der mannschaftlichen Geschlossenheit. Wir versuchen jetzt auf alle Fälle, noch einmal anzugreifen. Das Wichtigste ist, dass es Franco Foda gelingt, die entscheidenden Leute wieder so weit hinzubekommen, dass sie 100 Prozent abrufen.
WEGWEISER - Optimismus auch in kritischer Zeit: FCK-Chef Stefan Kuntz.(foto: kunz)
Sind Sie überrascht, dass Eintracht Braunschweig so konstant punktet?
Anfangs war das ja nicht immer glanzvoll, aber effektiv, zuletzt aber auch spektakulär.Ich habe schon erwartet, dass Braunschweig eine gute Rolle unter den Top Fünf spielt. Überraschend ist, wie konstant sie sind. Braunschweig ist jetzt klar der Aufstiegsfavorit. Jetzt sind sie in einer Situation, wo sie auch was verlieren können. Jetzt wird entscheidend, wie sie mit diesem Druck umgehen können. Das ist allerdings eine Ausgangssituation, die ich gerne mit ihnen tauschen würde …
Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit von Trainer Franco Foda?
Sehr zufrieden! Wichtig war, dass er die Spieler, die mit Negativerfahrungen aus der letzten Saison dageblieben sind, auf einen positiven Weg brachte, und die Neuen integrierte. Das ist ihm durch seine Ausstrahlung und durch sein selbstbewusstes Auftreten gelungen. Er arbeitet ja auch gerne mit schwierigen Typen zusammen – da gilt es jetzt, durch klare Ansagen und Grenzen Grundlagen zu finden, damit auch die ihre Leistung wieder komplett abrufen und der Teamgeist stimmt.
Sie haben mit Mo Idrissou, Albert Bunjaku und Alexander Baumjohann namhafte Neuzugänge im Kader, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht konstant waren, am Ende ein- und abgebrochen sind. Was erwarten Sie von diesen Routiniers?
Bei mir geht es nicht nur um die drei mit den großen Namen. Bei mir geht es auch um andere wie Tobias Sippel, Alexander Bugera oder Florian Dick, die zwischenzeitlich alle auch schlechte und sehr schlechte Leistungen gebracht haben. Die Forderung an alle lautet, 100 Prozent zu geben, sich zu 100 Prozent auf seine Leistung und Aufgabe zu konzentrieren und nicht auf andere Dinge. Da ist es auch egal ob junger oder alter Spieler.
Wie zufrieden sind Sie mit Marc Torrejón? Kann er noch mehr bringen, auch mal ein Tor machen? Müssen die Abwehrspieler, auch die Mittelfeldspieler, nicht torgefährlicher werden?
Mit Marcs Leistungen sind wir sehr zufrieden, vor allem, wenn man bedenkt, dass er, wie Alex Baumjohann auch, sehr spät zu uns gestoßen ist. Letztes Jahr wären wir mit zwei Knipsern wie jetzt sehr froh gewesen, jetzt wollen wir die Torgefahr aus allen Bereichen, was nie ganz klappt. Es bleibt festzuhalten, dass die offensiven Mittelfeldspieler, mit Ausnahme von Hendrick Zuck, nicht genug nachrücken, um im gefährlichen Bereich zu Chancen zu kommen. Auch die Torgefahr nach Standards ist nicht optimal.
Sie haben bei der Jahreshauptversammlung Dominique Heintz hoch gelobt, seine Leistungen mit sensationell beschrieben. Wie groß ist die Gefahr, dass der FCK dieses große Talent verliert, vor allem dann, wenn der Aufstieg misslingt?
Die Gefahr ist natürlich groß. Ich sehe das aber auch mit einem lachenden Auge; denn das Gute ist, dass Dominique einen Vertrag bis 2015 beim FCK hat. Was mich aber am meisten freut, unabhängig davon, dass er schon über zehn Jahre im Verein ist: Er hat das Herz am richtigen Fleck. Er hat einen unglaublichen Willen. Den beweist er im Training und im Spiel. Auch sein Vater und sein Berater sind immer ruhig geblieben und sind – wie er selbst – total auf den Fußball, den Dominique spielt, und auf seine Entwicklung konzentriert. Ich habe jetzt schon so viele Jungs erlebt, da war das anders, da kamen die Eltern schnell mit Forderungen, die Berater mit irgendwelchen Plänen. Jetzt rufen diese Jungs an, weil sie stagnieren und mancher gerne zurück möchte ...
Franco Foda sagte, prinzipiell wolle man in allen Mannschafsteilen noch etwas tun. Wie weit sind Sie damit?
Ja, wir überprüfen und hinterfragen alles. Wir haben auch mit einigen unserer Spieler und ihren Beratern über ihre Perspektiven gesprochen, auch dass sie weniger Einsatzzeiten bekommen dürften und die Frage gestellt, ob es nicht besser wäre, den Verein in der Winterpause zu wechseln. Auch davon wird abhängen, wie viel Spielraum wir im Etat haben. Ich glaube, dass es da erst in ein, zwei Wochen spruchreife Entscheidungen geben wird.
Die Mannschaft startet ja am 2. Januar. Wie wichtig ist diese Vorbereitung für die Profis, die mit Rückständen zum FCK gekommen sind?
Die Zeit ist extrem wichtig, auch um den Teamgeist wieder zu entwickeln, um auch mit dem Druck klarzukommen. Aber es kann passieren, dass im ersten Spiel nach der Pause, montags bei 1860 München, Borysiuk und Fortounis fehlen, die von ihren Verbänden angefordert wurden. Die haben mittwochs Test-Länderspiele. Wir bezahlen die Spieler, haben wichtige Spiele, sind in Kontakt mit beiden Verbänden, wo aber wenig Verständnis für unsere Wünsche nach einem Verzicht besteht.
Hand aufs Herz, steigt der 1. FC Kaiserslautern auf?
Notfalls auch durch die Relegation?Der ein oder andere sagt ja, mein zweiter Vorname sei Optimismus … Deshalb: Durch die Qualität des Kaders und die Qualität unserer Fans sind wir in der Lage, mindestens Dritter zu werden. Die Relegation ist natürlich auch ein Glücksspiel.
DIE RHEINPFALZ
Ludwigshafener Rundschau