Diskussionsthema zum Artikel: Liegt es an der Kaderplanung, der Einstellung, am System?
Liegt es an der Kaderplanung, der Einstellung, am System?
FCK-Fans haben manchmal ein sehr feines Gespür für Entwicklungen, manchmal liegen sie komplett daneben. Sind die aktuellen Sorgen berechtigt? Ein Streitgespräch.
Das Gefühl eines positiven Saisonauftakts nach sieben Punkten aus drei Spielen und dem Sieg in der ersten Pokalrunde ist nach zwei Niederlagen schnell verflogen. Sieben Gegentore in zwei Spielen sind nicht nur zu viel, sondern auch die Defensivbilanz eines Abstiegskandidaten. Entsprechend beunruhigt zeigt sich der Lautrer Anhang, der bekanntlich schnell gereizt ist.
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Die Debatten in den Foren und sozialen Netzwerken haben seit der deutlichen Pleite in Hannover rasant zugenommen. Auch in unserer Redaktion und in Gesprächen mit Freunden beschäftigt uns die Frage nach dem aktuellen sportlichen Trend: Braucht die Mannschaft Zeit? Hat die Mannschaft überhaupt die Qualität, das System von Anfang umzusetzen? Oder wurden die falschen Spieler verpflichtet? Hier ein Auszug aus einem Treffpunkt Betze & Friends Streitgespräch.
Braucht es eine andere Spielphilosophie? Oder Zeit?
Michael: Ich fange gleich mit einer für mich zentralen Personalie an. Sollte sich der FCK trotz geschlossenem Transferfenster weiter nach einer Verstärkung im defensiven Mittelfeld umsehen? Denn der fehlende Zugriff ist wohl kaum von der Hand zu weisen. Aus meiner Sicht rollen einfach zu viele Angriffe durch das Zentrum auf die Abwehrreihe zu.
Tim: Ich möchte diese Frage aufgreifen und erweitern: Braucht der FCK eine andere Philosophie oder muss man dem Trainer noch mehr Zeit geben?
Michael: Ich denke, es steht außer Frage, dass Mannschaft und Trainerteam Zeit brauchen. Allerdings ist das FCK-Umfeld eben sehr schnell unzufrieden. Und da kann ich mich nicht ausnehmen, weil ich finde, dass die Tendenz nach unten geht. Und je nach Perspektive lässt sich ergänzen, dass der Sieg in Münster auch nicht besonders stark herausgespielt war, sondern durch eine Einzelleistung von Ragnar Ache zustande kam. Zudem müssen sich die Kaderplaner die Frage gefallen lassen, warum es dem vierten Trainer in Folge nicht gelingt, die Abwehr zu stabilisieren. Liegt dahinter also ein tiefgreifendes Problem?
Stefan: Das Spiel gegen Hannover war wirklich schlecht. Außerdem gab es bereits mehrere Spiele, in denen Markus Anfang in der zweiten Halbzeit Fehler in der Startelf korrigieren musste. Und ja, die Probleme aus der letzten Saison sind immer noch da.
Sebastian: Und mit jedem weiteren Spiel mit solchen Leistungen und Niederlagen werden die kritischen Stimmen lauter. Bei uns bekommt kein Trainer eine ganze Saison, wenn es nicht einigermaßen läuft.
Eine Frage der Erwartungshaltung
Jeremy: Ich verstehe die aktuellen Debatten nicht. Alle wollen einen kreativeren Fußball, und das wird jetzt versucht. Wir hatten drei „Defensivtrainer“ und es hat nicht funktioniert. Wenn überhaupt, dann liegt es an der Qualität, aber das ist unabhängig vom System.
Tim: Bist du sicher? Das würde ich gerne mal bei einer Umfrage unter FCK-Fans herausfinden. Mir persönlich würden 35 Prozent Ballbesitz und Platz 10 mit schwarzer Magie schon reichen.
Jeremy: Glaube ich dir, aber wie oft musste man schon von „Weiterentwicklung“ lesen. Ich glaube, im Moment ist die Aufregung nur da, weil es nicht läuft, obwohl wir zuletzt gegen zwei absolute Aufstiegsfavoriten verloren haben. Man muss der Mannschaft und dem Trainer einfach die Zeit geben. Im Sommer ist auch viel zu viel passiert - auch außerhalb des Platzes, so dass die Vorbereitung nicht optimal war. Das verlangsamt natürlich die Entwicklung einer neuen Spielidee.
Stefan: Ich lasse mir noch die nächsten fünf Spiele Zeit, um ein erstes Urteil zu fällen. Was nicht heißt, dass ich dann sofort den Kopf des Trainers fordern würde, wenn diese negativ ausfällt. Abgesehen davon: Was würde sich mit dem nächsten Trainer ändern? Das wäre dann der fünfte in knapp eineinhalb Jahren und die Probleme wären immer die gleichen.
Tim: Meine Stimmung wird momentan stark vom Gesamtbild beeinflusst: Zum einen die Verpflichtung von Markus Anfang, zum anderen die Novoline-Geschichte und die Veröffentlichung der Bilder von Jannik Mause. Es wurde kein Sechser verpflichtet und ich habe bisher auch kein Spiel gesehen, das mich überzeugt hat. Das alles dämpft bei mir die Euphorie.
Anpassungen sind unumgänglich
Gerrit: Mir persönlich geht es nicht vorrangig um kreativen Offensivfußball oder nicht. Ich will den Fußball sehen, der die größtmögliche Chance auf Erfolg hat. Ob das die aktuelle Spielidee ermöglicht, weiß ich noch nicht. Man sieht erste gute Ansätze, aber Anfang muss Anpassungen vornehmen. Da wir an der Qualität bis zum Winter nichts mehr ändern können, muss er die Systemfrage aus meiner Sicht zumindest stellen. Ich sehe es auch nicht so, dass die Trainer davor (abgesehen von Grammozis) mit ihrer Herangehensweise keinen Erfolg gehabt hätten. Es ist einfach eine Frage der Erwartungshaltung. Platz 10 würde ich auch im dritten Zweitligajahr nach wie vor mit Kusshand nehmen. Höhere Ziele sind aus meiner Sicht mit dieser Mannschaft sowieso nicht realistisch.
Jeremy: Mit deinem letzten Teil bin ich im Prinzip einverstanden. Nur bei der Systemfrage bin ich etwas anderer Meinung. Ich finde, man sieht schon, dass im Spiel viel umgestellt wird. Mal ist es ein Dreieraufbau mit einem Außenverteidiger, mal mit einem Sechser oder mal ein Aufbau zu zweit. Ich finde, dass wir gerade mit dem Ball Probleme im Spielaufbau haben, aber das liegt eher an der Qualität. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir den Ballbesitz brauchen, gerade in den Heimspielen. Deswegen finde ich den Ansatz von Anfang gut.
Michael: Aber um mich mal einer Floskel zu bedienen: Was nützt es im Ergebnissport Fußball, wenn diese taktische Variabilität und die vielen Entscheidungsmöglichkeiten der Spieler nicht zum gewünschten Erfolg führen? Vielleicht klingt das etwas überspitzt, aber nach sechs Pflichtspielen ist die Frage berechtigt, ob der Kader für das ausreicht, was Anfang vorhat.
Stefan: Ich mache mir auch Gedanken und habe Sorgen, was diese Saison betrifft. Aber nach ein paar Spielen alles über den Haufen zu werfen, was man sich im Sommer überlegt hat, halte ich für ein falsches Vorgehen.
Sebastian: Aber wie realistisch ist es, im Sommer eine neue Spielweise einzustudieren und zu erwarten, dass sie nach ein paar Spielen auf Leistungsniveau sofort funktioniert?
Welche Verantwortung tragen die Spieler selbst?
Jeremy: Und es stellt sich auch die Frage, ob all das an Anfangs Spielidee liegt. Gegen den Ball haben wir enorme Probleme, was das Stellungsspiel angeht. Da fällt mir immer wieder Tomiak auf, egal ob auf der Sechs oder in der Innenverteidigung. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass er taktisch nicht gut geschult ist. Aber auch bezogen auf die gesamte Abwehrreihe finde ich, dass Anfang während des Spiels viel umstellt. Gegen Hannover ist Wekesser zum Beispiel oft nach innen gerückt, um Tomiak zu unterstützen. Dafür musste Opoku den weiten Weg nach hinten gehen. Das hat Markus Anfang während des Spiels verändert. Aber dann war immer ein Loch in der Mitte. Das lag meines Erachtens nach weniger an Anfang als daran, dass Klement einfach die Wege nicht zu macht. Und ich sehe auch nicht, dass wir nur ein System haben. Es gibt mehrere Systeme und während eines Spiels wird oft umgestellt. Vielleicht zu oft, so dass man keine Kontinuität entwickeln kann.
Gerrit: Ich stimme auch mit vielem überein, was du sagst. Deshalb ist es für mich auch zu kurz gegriffen, in der Analyse nur auf den Trainer zu schauen. Er hat eine Idee im Kopf, von der die Verantwortlichen vor der Saison überzeugt waren. Und nun muss man abwarten, wie sich das Ganze entwickelt. Wie sagt man so schön: Nach dem 10. Spieltag gewinnt die Tabelle allmählich an Aussagekraft. Aber Anfang muss seine Spielidee halt hinterfragen. Das hat er ja auch angekündigt und das traue ich ihm auch zu. Ich finde auch, dass seine Handschrift und seine Ansätze schon erkennbar sind. Nur muss er sie jetzt meiner Ansicht nach noch anpassen.
Michael: Besorgniserregend finde ich in diesem Zusammenhang eine Aussage, die Julian Krahl gegenüber dem SWR getätigt hat: “Wenn nicht jeder Einzelne dafür brennt, jeder einzelne tagtäglich das meiste aus sich herausholt und der Mannschaft alles gibt, was er hat, dann reicht es nicht. Dann hast du zwar elf Jungs auf dem Platz, aber wenn von denen nicht jeder alles gibt, wird es schwer, in der Liga zu bestehen”. Das ist schon eine harte Ansage, wie ich finde. Nach fünf Spielen so deutliche Kritik an den eigenen Kollegen zu üben, deutet eher darauf hin, dass nicht alle bereit sind, diesen neuen Weg mitzugehen.
Sebastian: Um zu der Eingangsfrage zurückzukehren: Egal wie, Anfang muss das Zentrum dicht bekommen, das entlastet dann auch die gesamte Defensive. Und ich möchte eine vielleicht kühne Behauptung aufstellen: Das, was Thomas Hengen auf dem Betze spielen lassen will und wofür Anfang auch steht, braucht sicherlich 12 bis 24 Monate Entwicklungszeit.
(...)
Abschließend ein Hinweis in eigener Sache: Der Auszug aus diesem Streitgespräch dient nicht der einzig richtigen Wahrheitsfindung. Es ist vielmehr der Versuch, die verschiedenen Standpunkte, Meinungen und Sorgen, die FCK-Fans derzeit umtreiben, sichtbar zu machen. Und jetzt seid Ihr gefragt: Was ist derzeit die größte Baustelle beim FCK? Oder sind die Roten Teufel auf dem richtigen Weg und manche Sorgen und Befürchtungen eher unbegründet oder gar übertrieben?