Diskussionsthema zum Artikel: Ehemaliger Sportdirektor Notzon übt deutliche Kritik
Ehemaliger Sportdirektor Notzon übt deutliche Kritik
In einem 7-seitigen Schreiben kritisiert der ehemalige Sportdirektor Boris Notzon mehrere interne Vorgänge beim 1. FC Kaiserslautern.
Freitag, 26. Februar, es ist der Abend der Jahreshauptversammlung. Das höchste Vereinsgremium versammelt sich im digitalen Raum, um neben der Aufsichtsratswahl wichtige Weichen für die Zukunft des 1. FC Kaiserslautern zu stellen. Boris Notzon ist zu diesem Zeitpunkt zwar noch Angestellter des Vereins, hat jedoch nach der öffentlichen Degradierung durch Markus Merk bei der Vorstellung von Cheftrainer Marco Antwerpen kaum noch Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht.
Zwei Tage vor der Mitgliederversammlung erreicht die Gremien, die Geschäftsführung und die Vorstände der GmbH & Co. KGaA, der Management GmbH und des e.V. ein 7-seitiges Schreiben, welches Treffpunkt Betze vorliegt. Der Verfasser ist Boris Notzon. Notzon beschreibt darin mehrere Vorgänge, die seit der Wahl des „Teams Merk“ im Dezember 2019 bis Februar 2021 geschehen sind.
„Inakzeptabel, respektlos und beschämend“
Im ersten Teil geht der ehemalige Sportdirektor auf eine von ihm getätigte Analyse zu den Problemen des FCK ein, die er in mehreren Beiratssitzungen mit den neu gewählten Aufsichtsräten seit Dezember 2019 teilte. Unter anderem benennt Notzon dabei nackte Tatsachen der vergangenen Jahr: Seit dem 2015 beschäftigte der FCK zehn Cheftrainer, zehn verschiedene sportliche oder kaufmännische Geschäftsführer, über 120 Lizenzspieler, etwa zwanzig verschiedene Aufsichtsräte, zehn verschiedene Vorstände und eine Reihe an Hauptsponsoren, Investoren und „wortgewichtigen“ Ehemaligen. Notzons Fazit: „Auf Grund dessen kann es dem Gesamtverein unmöglich gelingen einen einheitlichen, roten Faden zu verfolgen, eine mittelfristige Strategie zu planen und umzusetzen und ein sportliches Konzept nachhaltig umzusetzen“.
Gleichwohl entzieht sich Notzon der Kritik über den Verlauf der aktuellen Saison nicht. Kritische Auseinandersetzungen und Hintergrundgespräche über Sportdirektoren, Spieler und Cheftrainer gehören laut Notzon im Fußballgeschäft zum Alltag. Auch dass sich Verantwortliche in ihrer „Emotion zu Schuldzuweisungen“ hinreißen lassen oder versuchen, „nicht selbst ins Fadenkreuz des öffentlichen Drucks zu geraten“, sei durchaus normal. Jedoch hat jede Art der Kritik Grenzen, besonders im Umgang mit leitenden Angestellten in der Öffentlichkeit. „Ich kann nicht akzeptieren, dass ich als sportlicher Leiter (ohne jegliche, vorherige Information oder Abstimmung) in meiner Funktion als Sportdirektor des FCK vom Sprecher des Beirates der Management GmbH öffentlich demontiert werde". Dies sei die falsche Wahl in der Außendarstellung, so Notzon.
Eingriffe ins operative Geschäfts
Notzon verweist in seinem Schreiben ebenfalls auf direkte und indirekte Eingriffe aus den Aufsichts- und Beratungsgremien in das operative und sportliche Tagesgeschäft. Die Begründung, „man müsse dies tun, wenn es sportlich nicht läuft“ sei entgegen jeglicher Grundsätze der Satzung und arbeitsrechtlicher Regelungen, darüber hinaus verweist Notzon darauf, dass solche Einwirkungen bereits seit vielen Monaten stattgefunden haben, sowohl durch Aufsichts- und Beratungsgremien als auch durch Investoren. „Es fehlt insgesamt an einer klaren, zielführenden Struktur, in der vereinbarte Entscheidungs- und Kommunikationswege auch tatsächlich eingehalten werden“ - und an der „Selbstdisziplin bei allen Beteiligten“.
In einem Beispiel führt Notzon die Verpflichtung des neuen Trainerduos Antwerpen und Döpper sowie zweier Neuzugänge an. Diese Personalien wurden dem Geschäftsführer Voigt und Sportdirektor Notzon durch Vertreter der Aufsichts- und Beratungsgremien sowie Investoren vorgegeben. Ein Austausch, z.B. zum Gesundheitsstand von Neuzugängen, fand nicht statt.
In einem weiteren Beispiel führt der ehemalige Sportdirektor seine eigene Situation als mahnendes Beispiel auf. In einem Gespräch mit Markus Merk wurde Notzon Mitte Dezember 2020 mitgeteilt, dass sein Vertrag nicht verlängert werde. Doch solche Entscheidungen obliegen laut Notzon der Verantwortung der Geschäftsführung. Notzon wehrt sich gegen den Umgang mit seiner Person als „Alles-Schuldigen“ für den sportlich nicht zufriedenstellenden Verlauf. Dabei waren laut Notzon Investoren und Aufsichtsräte in Transfer- und Trainerentscheidungen involviert, haben diese mitgetragen und teilweise sogar mitbestimmt.
In einem dritten Beispiel geht Notzon auf Wünsche von Markus Merk hinsichtlich umzusetzender Änderungen im operativen Geschäft ein, „die nach seinen Vorstellungen mitunter ‚as soon as possible‘ umzusetzen seien“. Diese betreffen zum Teil auch die Zuständigkeitsbereiche des Trainers wie Individualtraining, Änderungen des Kapitän-Amtes oder Vorschläge für das Amt des Co-Trainers. Darüber hinaus schaltete sich Markus Merk in die Verhandlungen mit dem SV Sandhausen ein und führte zusätzlich zu den von Boris Notzon geführten Gesprächen mit dem Sportdirektor des SVS parallel Gespräche mit dem Geschäftsführer Volker Piegsa. Während Notzon eine möglichst hohe Ablöse generieren wollte, bestand bei Markus Merk das Gefühl, „den Spieler Bachmann zum ‚Nullgeschäft‘ gegen den Spieler Anas Ouahim zu tauschen“.
In weiteren Beispielen geht Notzon auch auf die Einwirkung von Investoren und Vereinsvorständen auf, die allesamt nicht auf die „Verantwortlichen aus dem sportlichen Bereich“ zurückgehen.
Die schwierige Kaderplanung während des Insolvenzverfahrens
Abschließend geht Boris Notzon in seinem Schreiben auf die Kaderplanung für die Saison 2020-21 ein, die vor dem Hintergrund des Insolvenzverfahrens vor besonderen Herausforderungen stand. Im Fokus stand dabei vor allem das Sonderkündigungsrecht der Spieler Pick und Kühlwetter. Letztlich blieb dem FCK nur die Chance, diese beiden Leistungsträger für eine Ablösesumme in Höhe von 1.7 Millionen Euro ziehen zu lassen – alternativ hätte der FCK beide Spieler im Winter ablösefrei abgeben müssen. Notzon beschreibt diesen Vorgang „aufgrund der wirtschaftlichen Situation als alternativlos“.
Trotz der schwierigen Situation ist es gelungen, auslaufende Verträge von Spielern wie Spahic, Schad, Kraus und Huth ohne Ausstiegsklauseln zu verlängern. In all diese Transferthemen war seinerzeit Martin Wagner als Aufsichtsratsmitglied eingebunden, um die sportliche Expertise und Überlegungen zur Kaderplanung einfließen zu lassen.
Für die Transferpolitik, so Notzon, „gab es im Vorfeld Lob aus den Aufsichts- und Beratungsgremien, von Fachjournalisten und der Konkurrenz“. Doch nicht alle Entscheidungen haben sich als erfolgreich erwiesen. Trotz der gegenwärtigen und sehr kritischen sportlichen Situation steht Notzon laut eigener Aussage „mit reinem Gewissen hinter der Transferpolitik in einem schwierigen Sommer-Transferfenster“. Für einen Großteil der Neuzugänge habe der FCK lediglich 125.000,- Euro Transferausgaben gehabt. Dem gegenüber stehen Transfereinnahmen in Höhe von 3.7 Millionen Euro.
"Seriöses Arbeiten ist erschwert"
In einem abschließendem und persönlichen Statement geht Notzon auf seinen überdurchschnittlichen hohen Einsatz für den Verein ein, für den er auch sein Privatleben hinten angestellt hat. „Die aktuelle sportliche Situation beschäftigt mich enorm und belastet alle Beteiligten“. Sein Schreiben bezeichnet Notzon mitnichten als Rechtfertigung für den aktuellen Saisonverlauf. Seine Beweggründe sieht er im Sinne der Transparenz als Beschreibung von Abläufen, die ein seriöses Arbeiten und eine gelungene sportliche Entwicklung erschweren.
„Wir können uns nicht jahrelang immer wieder auf‘s Neue verschulden, unsere sportlichen Leistungsträger verkaufen, die daraus erzielten Erlöse nicht ansatzweise reinvestieren, eine Insolvenz durchziehen, im Durchschnitt zwei Cheftrainer im Jahr verschleißen, permanent unser sportliches Konzept in den Wind schießen, das operative Tagesgeschäft nach den Wünschen ständig wechselnder Entscheidungsträger ausrichten, Differenzen in und zwischen den Vereinsgremien nach außen tragen, uns deutschlandweit als ‚Chaos-Club‘ präsentieren und uns dann ernsthaft wundern, dass wir sportlich nicht erfolgreich werden“, so die abschließenden Worte des ehemaligen Sportdirektors Boris Notzon.
Quelle: Treffpunkt Betze