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Irrenhaus Betze: Lautre is widder do
Foto: Getty Images / Alex GrimmNach vierjähriger Abstinenz meldet sich der 1. FC Kaiserslautern im 'Betze-Style' mit einem 2:1-Last-Minute-Sieg gegen Hannover 96 eindrucksvoll in der 2. Liga zurück.
Gerade einmal 52 Tage lagen zwischen dem Aufstieg und dem Eröffnungsspiel der zweiten Bundesliga gegen Hannover 96. Nach einer kurzen Sommer-Vorbereitung bewiesen die Roten Teufel mit einer ersten Standortbestimmung gegen einen ambitionierten Gegner, dass sie auf jeden Fall das Zeug haben, in der zweiten Liga mitzuhalten. Dabei vertraute FCK-Trainer Dirk Schuster besonders dem Personal aus der vergangenen Saison - mit Andreas Luthe, Erik Durm und Ben Zolinski standen lediglich drei Neuzugänge in der Startelf. Gegenüber dem Gegner aus Niedersachsen wirkte der 1. FC Kaiserslautern deutlich eingespielter und auch die Neuzugänge konnten ohne Probleme integriert werden. Mit einem unglaublichen Teamgeist und großer Leidenschaft feierte der FCK eine Rückkehr wie aus dem Bilderbuch.
Der unangenehme Gegner sein
Wie man sich als Neuzugang am besten auf dem Betzenberg vorstellt, zeigte Erik Durm, der nach wenigen Minuten für eine perfekte Grätsche lautstark gefeiert wurde. Aber auch Ben Zolinski fügte sich nahtlos ein und setzte mit seinem aggressiven Gegenpressing die gegnerische Defensive immer wieder unter Druck und zwang sie damit zu Fehlern. Der Matchplan von Dirk Schuster ging besonders im ersten Durchgang voll auf. Mit typischen Schuster Fußball stand der FCK stabil in der Defensive und setzte immer wieder Nadelstiche. „Wir wollten die Sechser und Zehner aus dem Spiel nehmen, scharf anlaufen und den Gegner unter Stress setzen. Da haben wir nicht allzu viel zugelassen,“ so der Trainer zur Marschroute. Tatsächlich ließ die letztjährige beste Drittliga-Defensive im ersten Durchgang keine ernstzunehmende Torchance zu und zog den Gästen immer wieder früh den Zahn. In der Offensive hingegen war die Nervosität schon spürbarer, da funktionierte längst noch nicht alles.
Durch gezieltes Anlaufen konnten die Roten Teufel immer wieder Ballgewinne verbuchen. So fiel schließlich auch der nicht unverdiente Führungstreffer. Bei einem eigentlich zu lang geratenem Ball setzte Terrence Boyd nach, blieb hellwach und nutzte den individuellen Fehler seines Gegenspielers. Es folgte der entscheidene Pass auf Mike Wunderlich, der mit unbändigen Willen den Ball über die Linie drückte. Die Hausherren blieben auch danach der unangenehme und schwierig zu bespielende Gegner. Eine Eigenschaft, die in den letzten Jahren eher den FCK verzweifeln ließ.
Müde Teufel jubeln spät
Dass das laufintensive und zweikampfbetonte Spiel der Roten Teufel deutlich an den Kräften zehren sollte, machte sich nach rund einer knappen Stunde bemerkbar - in dieser Phase bekam Hannover immer mehr Zugriff. Auch in der Umschaltbewegung war Terrence Boyd - sowie der später eingewechselte Lex-Tyger Lobinger - mit zunehmender Spieldauer auf sich allein gestellt. Je länger das Spiel dauerte, umso mehr fokussierte sich die Mannschaft auf die Verteidigung. Die Niedersachen waren nun deutlich häufiger in der Hälfte der Roten Teufel zu finden, kamen bis auf vereinzelte Distanzschüsse aber nicht näher an das Tor von Neuzugang Andreas Luthe. Der 35-jährige Routinier strahlte große Ruhe und Sicherheit aus, die der Hintermannschaft unglaubliche Stabilität verlieh.
Dennoch setzte sich die individuelle Qualität der Gäste, besonders durch hochwertige Wechsel, zunehmend durch. Eine ähnliche Einschätzung teilte auch Dirk Schuster nach der Partie: „Ab der 65-70 Minute hat man mit all den ganzen Einwechslungen gesehen, welche Qualität da von der Bank kommt. Da haben wir uns sehr schwergetan“, urteilte der Cheftrainer. Tatsächlich belebten die Einwechselspieler zusätzlich das Spiel der Hannoveraner, doch der FCK hielt mit viel Kampf weiter dagegen und entschied mit insgesamt 53% mehr als die Hälfte aller Zweikämpfe für sich. Kurz vor Spielende verpassten es die Lautrer den Ball entscheidend zu klären - im Rückraum stehend erzielte 96-Stürmer Havard Nielsen aus wenigen Metern den mittlerweile nicht unverdienten Ausgleich. „Wir konnten es nicht über 90 Minuten gut verteidigen, haben es aber insgesamt gut gemacht", kommentiere Innenverteidiger Kevin Kraus das Gegentor. Natürlich witterte Hannover nochmal die Chance auf den Sieg und warf alles nach vorne. Doch in der Nachspielzeit ergatterte der FCK nochmals einen Eckball, der das Spiel endgültig entscheiden sollte. Die etwas zu weit geratene Hereingabe von Hendrick Zuck konnte Neuzugang Lobinger gerade noch auf Redondo weiterleiten, der artistisch per Fallrückzieher Kevin Kraus bediente. Aus kurzer Distanz überwand Kraus Torhüter Ron-Robert Zieler. 2:1. Schlusspfiff. Der erste Heimsieg der Saison stand fest.
Irrenhaus Betzenberg
Genau 40.579 Zuschauer besuchten das Eröffnungsspiel an einem Freitagabend, was während der anstehenden Ferienzeit selbst für Zweitligaverhältnisse eine außerordentliche Kulisse darstellt. Trainer Dirk Schuster sprach sogar von einem „positiven Irrenhaus“. Von der ersten Minute an peitschten die Heimsfans das Team nach vorne und zeigten Fußball-Deutschland klar: „Der FCK ist wieder da“. Die besondere Atmosphäre beflügelte die Mannschaft enorm und setzte zusätzliche Kräfte frei. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass ebenso die Leistung auf dem Platz den Funken auf den Rängen entfachte. Solange die Spieler Einsatz zeigen und gewillt sind, das Beste zu geben, werden auch Fehler verziehen. Der zwischenzeitliche Ausgleichstreffer sorgte keinesfalls für einen Stimmungsabbruch, vielmehr wurde die Mannschaft weiter lautstark supportet.
Der Zusammenschluss zwischen Fans und Mannschaft ist gegenwärtig so stark wie lange nicht mehr und dürfte über die gesamte Saison ungemein wichtig werden, findet auch Siegtorschütze Kevin Kraus: „Der Betze kann uns über 90 Minuten tragen. Wir wollen die Leute hier hoch locken. Wenn wir so weitermachen, wird uns das auch gelingen."
Im Ligaalltag beweisen
Trotz aller Freude und Euphorie darf nicht vergessen werden, dass noch ein weiter Weg bis zum Erreichen des Saisonziels vor dem Verein liegt. Die ersten drei von mindestens 40 Punkten wurden erfolgreich eingefahren. Da die Besonderheit eines Eröffnungsspiel und die Rückkehr in Liga zwei keinen Dauermechanismus darstellen - und möglicherweise auch eine höhere Motivation entstehen lassen - gilt es nun, eine solche Leistung auch dauerhaft abzurufen. Hinzu kommt die klare Rollenverteilung vor dem Spiel, in dem die Lautrer als Underdog auftraten. Es bleibt entsprechend abzuwarten, ob es dem FCK gelingt, den Alltag in der zweiten Liga anzunehmen - im Idealfall am kommenden Samstag beim ersten Auswärtsspiel gegen Holstein Kiel. Trotz alledem: Lautre is widder do!
Quelle: Treffpunkt Betze